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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman
Autoren: Picus-Verlag
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konnte ein nervöses Zucken des Oberlids nicht unterdrücken, manche flüsterten, kicherten, der Gerlach sei schon immer eine komische Nummer gewesen, kein anderer würde sich einen solchen Scherz erlauben, und wenn es kein Scherz ist?, fragte ein schlauer Kopf, der sofort ausgelacht wurde, ein bisschen verrückt sei Gerlach schon, sehr gewagt, ja sagte eine, zuerst Alzheimer, dann Fälscher, spinnt er wirklich, was ist hier los? Ich wette, der will eine neue Theatergruppe bilden, das erinnert mich an damals, wisst ihr noch, flüsterte ein älterer Zahnarzt, mein Gott haben wir uns bei den Improvisationen amüsiert!
    Hier, posaunte Gerlach aber weiter, stelle ich euch meinen nagelneuen, nagelscharfen Freund Fischer vor, Mitstreiter des Spiels und mäßiger Schicksalsschreiber, (was habe ich gesagt?, flüsterte der alte Zahnarzt, also doch ein Schauspiel!), Detektiv und Ehemann unserer verstorbenen Carolin, der kann es Ihnen bestätigen – und er klopfte so arg auf Fischers Rücken, dass dieser sich hustend an Gerlachs Ärmel festhielt, der sich schnell befreite, eh du alte Klette, sagte er immer noch in scherzhaft emphatischem Ton, weg die Pfoten, beschmutze meinen Armani nicht, sehen Sie, liebe Freunde, die Sache ist so, der Kerl da versucht mich zu erpressen, nun er hat sich geschnitten, nicht wahr? Genau! Ja!, schrien einige. Niemand kann den alten Gerlach mehr erpressen, denn der alte Gerlach ist nicht mehr zurechnungsfähig, da wären wir wieder beim Thema, nicht wahr Henrietta? Jetzt ist alles gesagt worden. Der alte Gerlach spielt den Onkel Doktor nicht mehr, der alte Gerlach ist im Ruhestand und will jetzt in eurer Gesellschaft speisen und dann den wunderbaren Melodien unserer Nachtigall Klara lauschen. Was machen wir aber mit diesem Gauner? Er zeigte auf Fischer, der versuchte, sich einen Weg nach draußen zu bahnen. Den Garaus, schlug jemand vor, lynchen, kaltmachen!
    Alle klatschten, man lachte, rempelte spielerisch Fischer an, manche fragten ihn, ob er jetzt zur neuen Truppe gehöre, wie es jetzt mit dem Happening weitergehe, niemand verstand recht, was hier gespielt wurde, sicher ein Ratespiel, ein Abenteuerspiel, Improvisationstheater, sollten sie vielleicht bald den Garten nach falschen Dokumenten umgraben, in den Büschen nach Überraschungseiern suchen, gab es einen Preis für den Gewinner? Fischer schüttelte den Kopf, wer zuletzt lacht, presste er hervor, und traf mit seinem hasserfüllten Ausdruck perfekt die vorgesehene Rolle. Er kehrte an der Tür um, kam zurück ins Zimmer, alle applaudierten, und er riss einen Teller an sich, auf den er wütend Fleisch und Fisch anhäufte. Man hat, was man hat!, rief jemand. Der Typ ist klasse, sagte ein anderer. Frau Gerlach stand am Tisch und nestelte an einem Stück Tischtuch, beantwortete ihrer Tochter die Frage, die niemand stellte, auch die Tochter nicht: Jetzt hat er sie nicht mehr alle, ja er ist krank, er hat seine Obsessionen wieder, er erfindet, findet sich mit der Realität nicht mehr zurecht, sobald er aus der Routine kommt, rutscht er ab. Nora blieb stumm, schaute hilflos ihre Mutter an und stellte die Frage zur Antwort: Was wird hier gespielt, Mama?
    Geben Sie mir die Adresse des Traiteurs?, fragte eine alte Dame, deren dünne, zerbrechliche Finger Mühe hatten, den Teller zu halten. Das schmeckt hervorragend, und Ihr Mann, Frau Gerlach, ist ein Entertainer erster Klasse. Henrietta drehte sich ohne Antwort um, schnappte frische Luft auf der Terrasse und traf den Blick des Kindes Henrietta, das von einem Gewitter im Wald überrascht wird. Es roch nach Pilzen und nasser Erde. Der Platzregen hat ihr Sommerkleid durchnässt, sie versucht zu einer Lichtung zu gelangen, sieht schon, wie die Sonne am Horizont die Wolken durchdringt, es wird alles gut, sagt Viktor, der das Kind an die Hand nimmt. Wir gehen nach Hause.
    Was wird hier gespielt?, wiederholte die Tochter, die ihr gefolgt war.
    Henrietta knotete Viktors Pulli enger um ihre Taille, spürte die kuschelige Wärme um ihren Bauch. Frag den Papa, sagte sie. Sie wandte sich wieder den Gästen zu, mein Gott, sahen sie dämlich aus, Wachspuppen, die hätte sie am liebsten hinausgejagt, diese Visagen geschlagen, wie schön, alle flachen Gesichter wie Schnitzel zu klopfen, um sie weich zu stimmen, alle Visagen platt, ein Salon voll Fleisch und Blut, Inkognito hätte seinen Spaß, sie versuchte, sich an den Namen der Frau neben ihr zu erinnern, eine Frau mit grünlich schillerndem Kleid, wie
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