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Der Gesang der Haut - Roman

Der Gesang der Haut - Roman

Titel: Der Gesang der Haut - Roman
Autoren: Picus-Verlag
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gepudert erhob. Viktor erkannte aber sofort den Detektiv Fischer, und mit der blassen Henrietta, die panisch Viktors linken Arm ergriffen hatte, ging er zu dem Eindringling. Er ist es, er ist es, er ist es, murmelte Henrietta. Keine Sorge, sagte Viktor, der aber unter der Klammer von Henriettas Hand anfing zu schwitzen. Ich spreche mit ihm, wir werden uns schon darauf einigen, für heute Abend wenigstens, den Skandal zu vermeiden. Ja, Viktor, ja, verstricken Sie ihn in ein Gespräch, verwickeln Sie ihn so, dass, sie beendete den Satz nicht, sondern ließ Viktor los und zeichnete mit den sich drehenden Händen abstrakte Kurven, als wollte sie den Mann in Kordeln und Schnüren einfangen und fesseln. Ihr Kleid, sagte Viktor, wo haben Sie sich hingesetzt?
    Er reichte ihr den leichten Pulli, den er über den Schultern trug, knoten Sie ihn einfach um die Taille!
    Der Detektiv zeigte Manieren, er küsste der Dame des Hauses die zitternde Hand und fragte mit einem einseitigen Lächeln, wo sich »unser« guter Herr Doktor Gerlach aufhielte, dem er jetzt zum Ruhestand gratulieren wolle. Viktor, der hinter Henrietta stand, schielte auf das eigene Kinn, das er ostentativ rieb, Fischer aber verstand die Andeutung nicht. Ihr Kinn, sagte Viktor, voll Blütenstaub. Henrietta, gehen Sie ruhig zu ihren Gästen, sagte Viktor, ich führe den Herrn zum Büffet.
    Schon aber war Gert Gerlach zu ihnen geeilt, mit einem halb angebissenen Häppchen in einer Hand und einem Glas in der anderen, sagte er: Na, wer ist denn das? Der Herr ist mir nicht vorgestellt worden!
    Ich bin Ludo Fischer, sagte Ludo Fischer und streckte die Hand entgegen.
    Lieber Herr Fischer, ich habe ein gravierendes Gedächtnisproblem, das vor allem meine Frau unglücklich macht, vielleicht erinnern Sie mich bei einem Glas Sekt, wo wir uns kennengelernt haben. Gesichter verblassen schnell, Ihres hat leider in meinem Gedächtnis keine Spur hinterlassen. Seien Sie nichtsdestotrotz willkommen. Ich sehe mit Bestürzung, dass meine Frau Ihnen noch nichts angeboten hat.
    Ach, der Abend wird noch lang, lieber Herr Doktor Gerlach.
    Nach diesem Satz machte Fischer seinen etwas fleischigen Mund nicht zu, das verlieh ihm, fand Gerlach, ein karpfenhaftes Aussehen. Ich glaube, sagte er, dass ich mir Ihren Namen doch ganz leicht merken kann.
    Ich wollte gerade Herrn Fischer zum Büffet führen, sagte Viktor.
    Dann kommt alle mit, lächelte Gerlach. Herr Fischer, wischen Sie sich das Kinn ab, Sie haben da was. Henrietta, gib doch dem Herrn eine Serviette!

28
    E inige kauten noch an den Lachs-, Krabben- und Kaviarkanapees, als Klara das erste Lied anstimmte – Seit ich ihn gesehen … – das erste Lied, wie sie erklärte, aus einem Zyklus von Chopin: Frauenliebe und -leben. Ein Mädchen erwacht zur Liebe und wundert sich, die Auserwählte zu sein.
    Von Neuem war Viktor verblüfft, wie sehr sich in den wenigen Wochen ihre Stimme entwickelt hatte. Gerlachs Gäste standen um ihn herum, fasziniert von dem Gesang und auch von ihrer fragilen, fast surrealen Schönheit, die in Kontrast zu dem Volumen ihrer Stimme stand. Klara trug vorerst das Lied mit leicht zitternder, dann immer sicherer, gefühlvollerer Stimme vor. Viktor glaubte zu spüren, wie das Publikum innerlich jubelte, wie sich der Wunsch auf Applaus in ihnen drängte und der Beifall bald tosen würde. Ein Anflug von Stolz überraschte ihn, seine Freundin war es, die im Mittelpunkt der allgemeinen Bewunderung stand, und erst als sein Blick auf Florian fiel, Florian, der seine Samtpfoten über die Klaviatur gleiten ließ, durchdrang Viktor der Gedanke, dass Klara einen anderen liebte. Vielleicht wussten sogar einige hier von seiner Schuld, hatten erfahren, dass er, Viktor, der Verlobte, ihre Gesangskarriere nicht gefördert hatte, wie Gerlach es jetzt tat, Gerlach, der den Vater und den Freund ersetzte, während er, der zukünftige Ehemann, sie nur ermutigt hatte, eine Schullaufbahn einzuschlagen, einen Beruf anzunehmen, der ihr immer verhasster wurde. Bestimmt wussten schon einige, dass er, der Egoist, ein solches Talent verschmäht, ja, durch Ahnungslosigkeit beinahe verhindert hätte, denn warum schaute dieser Herr hier, diese Dame dort, fast spöttisch auf ihn, ja, er glaubte zu spüren, dass man ihm etwas vorwarf, ihn verurteilte. Ein Blick auf Moira, die aus einer Zimmerecke heraus filmte, half ihm zur Ernüchterung. Ich spinne, das ist die Stimme des schlechten Gewissens.
    Klara kündigte jetzt das Mädchenlied von Brahms an.
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