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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Autoren: Abdallah Frangi
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mächtigste Mann der Welt hat seine Ohnmacht eingestehen müssen. Während ich dies schreibe, droht er damit, im Sicherheitsrat vom Vetorecht der USA Gebrauch zu machen. Es wäre ein Veto gegen sich selbst, gegen die eigene Politik, ein Veto wider besseres Wissen. Gleichzeitig setzt der amerikanische Kongress die Palästinenser mit der Ankündigung unter Druck, die amerikanischen Zahlungen an die Autonomiebehörde einzustellen, sollten sie an ihrem Antrag auf Anerkennung festhalten. Von einer eigenständigen amerikanischen Nahostpolitik sind wir mithin so weit wie eh und je entfernt.
    Doch auch Stimmen der Vernunft wurden in diesen Tagen laut. In einem offenen Brief warnten 32 ehemalige deutsche Botschafter vor einer bedingungslosen Solidarität mit Israel. Sie forderten die Bundesregierung auf, sich für die Zwei-Staaten-Lösung einzusetzen und, wenn nötig, die Anwendug von Druckmitteln gegen ein widerstrebendes Israel zu unterstützen  – den wahren Interessen Israels erweise man damit einen größeren Dienst als mit der bisherigen Politik, jeder israelischen Regierung freie Hand zu lassen. Im Übrigen könne von einer Existenzbedrohung Israels nicht mehr ernsthaft gesprochen werden. Und, um eine Stimme aus Israel zu zitieren: In der Zeitschrift haGalil erklärte die Journalistin Judith Bernstein, die Proklamation eines palästinensischen Staates biete den einzigen Ausweg aus dem tagtäglichen Desaster der Palästinenser. Die förmliche Aufnahme in die Weltgemeinschaft, schreibt sie, schaffe eine neue Lage, weil sie Palästina zahlreiche völkerrechtliche Optionen eröffne, zum Beispiel die Anrufung des internationalen Gerichtshofs in Den Haag. »Nach jahrzehntelangen ergebnislosen Bemühungen … haben sich die Palästinenser selbst auf den Weg gemacht, aus eigener Kraft auf eine Endstatus-Regelung zu dringen.«

    Genau darum geht es. Nichts liegt Präsident Abbas ferner, als die Konfrontation mit den USA und Europa zu suchen. Aber wie sonst könnte er dem Willen seines Volkes entsprechen, das nicht mehr von der Gnade der Unfähigen und Unwilligen abhängig sein will? Das sich sein Schicksal nicht länger vorschreiben lassen möchte? Wieder einmal schwebt Palästina zwischen Hoffen und Bangen …
     
    Auf mein Leben zurückblickend kann ich sagen: Es war anstrengend, gefährlich und gut. Vierzig Jahre davon habe ich in Deutschland verbracht, und ich hätte wahrhaft keinen besseren Ersatz für die verlorene Heimat finden können. Ich habe die größte Freundlichkeit und echte Freundschaft seitens der Deutschen erfahren, in und außerhalb der Politik. Und wenn es zunächst nicht danach aussah, als ließe sich die palästinensische Sache in Deutschland mit Aussicht auf Erfolg vertreten, so muss ich im Nachhinein feststellen: Die Deutschen haben es mir nach anfänglichem Zögern leichtgemacht. Durch den Mut, mit dem sich die 68er-Generation vom Zwang der herrschenden Meinung befreit und im Nahostkonflikt für die Unterdrückten Partei ergriffen hat. Durch das diskrete Wohlwollen, mit dem deutsche Politiker schon vor dem Oslo-Abkommen die Palästinenser unterstützt haben. Durch die entschlossene Großzügigkeit, mit der die deutschen Regierungen seit 1994 zum Aufbau Palästinas beigetragen haben.
    Wenn ich die deutschen Außenminister, mit denen ich zu tun hatte, Revue passieren lasse – Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel, Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier –, ist keiner dabei, der nicht das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser gefordert, nicht für die Zwei-Staaten-Lösung plädiert, nicht gegen die israelische Siedlungspolitik protestiert hätte. Alle deutschen Außenminister waren in diesen Punkten völlig eindeutig, und den Aufbau Palästinas hat sich Deutschland von allen europäischen Staaten am meisten kosten lassen. Auch
einen der schönsten Augenblicke meines politischen Lebens verbinde ich mit Deutschland – jenen Moment, als Außenminister Kinkel mich im Dezember 1993 anrief und bat, ihn als PLO-Vertreter im Auswärtigen Amt aufzusuchen, und wir dann in seinem Büro standen … Alle Enttäuschungen, das jahrzehntelange Abwarten und Sich-Gedulden, alles war vergessen, alles war gut.
    Ich habe mich in Deutschland nie heimatlos gefühlt, aber ich war auch in Frankfurt und Bonn, in Meckenheim und Berlin mit dem Herzen in Palästina. Damals, als wir die palästinensische Flagge vor unserem Bonner Büro hissten, schien der palästinensische Staat in erreichbarer Nähe zu sein, und ich
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