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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Autoren: Abdallah Frangi
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Nur drei Personen befanden sich in meiner Gesellschaft: außer Abu Arab auch ein ehemaliger Taxichauffeur, der jeden Winkel in Gaza-Stadt kannte, sowie ein guter Freund, der zur Not allein eine kleine Armee aufgehalten hätte – er nahm im Auto zwei Sitzplätze ein und war so stark, dass er mit einem freundlichen Schulterklopfen die Knochen eines Menschen zerbrechen konnte. In ihrer Gesellschaft fühlte ich mich einigermaßen sicher.
    Dieser Freund machte mich unterwegs darauf aufmerksam, dass sich alle strategisch wichtigen Punkte von Gaza, Gebäude wie Kreuzungen, unter der Kontrolle der Hamas befanden. Über dem Sitz der Präventiven Sicherheit wehte die Fahne der Hamas, ebenso auf dem Dach unseres Polizeigebäudes. Ich fuhr durch Israel nach Ramallah, wo ich sofort zu Präsident Abbas ging. »Gaza ist nicht mehr zu halten«, sagte ich ihm.

Abbas tritt aus dem Schatten Arafats
    So verwirrend, aufwühlend und niederschmetternd die Ereignisse im Gazastreifen für den waren, der ihr Augenzeuge wurde, so knapp und klar lässt sich das Geschehene im Rückblick zusammenfassen. Was wir erlebt hatten, war der von mir vorhergesagte Putsch. Was uns schlimmstenfalls drohte, war der Zerfall Palästinas in ein Hamas- und ein Fatah-Land und damit das Ende aller Träume von einem eigenen Staat.
    Denn angesichts der Aussicht, die Macht mit uns teilen zu müssen, zog die Hamas es vor, den Gazastreifen vom Westjordanland abzutrennen. Da sie den Ministerpräsidenten, den Innenminister, den Außenminister und so weiter stellte, hätte die Hamas ihren Einfluss ebenfalls auf das Westjordanland geltend machen können, aber das wollte sie nicht, dort verfügte sie nicht über genügend Streitkräfte, dort musste sie sich zurückhalten. Im Gazastreifen hingegen konnte die Hamas ihren Machtanspruch nach dem Rückzug der Israelis aggressiv vertreten. Die strategische Ausgangslage war für sie im Gazastreifen also wesentlich günstiger als im Westjordanland.
    Präsident Abbas hatte sich nach dem Wahlsieg der Hamas wie ein Gentleman verhalten und der Hamas alle Ministerien überlassen. Er ging davon aus, dass wir uns nun eben in Demokratie zu üben hätten. Und mussten wir nicht froh sein, überhaupt noch eine gemeinsame Regierung zu haben? Abbas war allerdings nicht zu beneiden. Sein Handlungsspielraum war minimal, überdies musste er sich – wie es jedem Nachfolger ergangen wäre – an der charismatischen wie autokratischen Führer- und Vatergestalt Arafats messen lassen. Auch
die enttäuschten Fatah-Abgeordneten, die durch die Wahl ihr Mandat verloren hatten, und die kaltgestellten Fatah-Beamten verweigerten ihm ihre Unterstützung. Und wie stand Abbas mit einer Hamas-Regierung vor den Israelis, den Amerikanern, den Europäern da? Eigentlich kämpfte er auf verlorenem Posten.
    Dann putsche die Hamas und erklärte – nicht anders, als es die Israelis in der Vergangenheit gemacht hatten – die Fatah zur verbotenen Organisation. Abbas erklärte die Hamas-Regierung daraufhin für illegitim und abgesetzt und bildete eine Übergangsregierung aus ungebundenen Fachleuten und Vertretern kleinerer Parteien für Gaza und das Westjordanland, die wiederum von der Hamas nicht anerkannt wurde. Er verband die Einsetzung dieser Regierung mit dem Versprechen, baldmöglichst Neuwahlen abzuhalten, denen sich die Hamas bis zum Jahr 2011 ebenfalls verweigerte. Natürlich kamen nur Wahlen in beiden Landesteilen infrage. Wahlen allein im Westjordanland durchzuführen, hätte die endgültige Spaltung Palästinas in Hamas- und Fatah-Land bedeutet, und unser Hauptziel war selbstverständlich, der geografischen Teilung nicht die politische Trennung folgen zu lassen.
    Unter Berufung auf ihren Wahlsieg bildete die Hamas daraufhin eine eigene Regierung im Gazastreifen, die, mit Ausnahme des Irans und Syriens, von keinem Staat der Welt anerkannt wurde. Abbas war übrigens klug genug, keinen einzigen Fatah-Minister in die Übergangsregierung aufzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Fatah nach der verlorenen Parlamentswahl auf kaltem Weg erneut zur Macht zu verhelfen. Beliebter machte ihn das bei seinen eigenen Leuten nicht, doch Abbas setzte sich durch – und leistete in der Folgezeit unermüdliche Kärrnerarbeit. Auf jeder Sitzung des Zentralkomitees stellten wir uns die Frage: Welche Reformen sind nötig? und konzentrierten uns vor allem darauf, die Erneuerung der Fatah von der untersten Parteiebene bis zur
Spitze durch innerparteiliche
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