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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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stundenlang durchhalten kann!«, rief Oda-Gesine.
    »Na, dann mach mal«, gab ich zurück. »Wenn du kannst, können wir noch ein Quentchen zulegen. Aber nur, wenn du kannst!«
    Bönni sauste begeistert kreuz und quer über den Weg. Er scharrte und schnüffelte, er pinkelte und nieste, er wieherte und bellte, er wälzte sich und schüttelte sich, er rieb sein Fell an einer Baumrinde, er war völlig ausgerastet. Das hatte er noch nie erlebt, dass sein Frauchen joggte. Er freute sich heiser und wunderte sich tief und laut, und der Schaum flog ihm nur so um seine feuchten schwarzen Lefzen.
    Der Waldweg wurde schmal, sodass wir nicht mehr nebeneinander laufen konnten. Bönni rannte in wilden Sprüngen vor uns her, ich trabte leichtfüßig hinter ihm und sprang über Wurzeln und Steine.
    »Kannst du noch, Oda-Gesine?«, rief ich nach hinten. »Ich sag dir, jetzt verbrennst du Fett!«
    »Klar!«, lachte Oda-Gesine breit. »Was Joschka Fischer kann, kann ich auch!«
    »Geht’s noch etwas schneller?«, feuerte ich die Eifrige an.
    »Versuchen kann ich’s!«, keuchte Oda-Gesine mit schwerem Atem.
    Nun keuchte Bönni seinen asthmatischen Hundeodem vorne und Oda-Gesine ihren Altweiberatem hinten. Ich keuchte nicht. Wer richtig läuft, keucht nicht.
    Mein inneres Gefühl sagte mir, dass ich jetzt bei 150 lief. Ich beschloss, ein wenig langsamer zu laufen. Schade um jede Minute, die man im anaeroben Bereich läuft. Da verbrennt man kein Fett. Da wird nur das Immunsystem angegriffen. Der Körper braucht fünf Minuten, um wieder in den aeroben Bereich zu kommen. Das ist Zeitverschwendung.
    »He, he, Mädel, du machst doch nicht schon schlapp?«, stichelte Oda-Gesine von hinten.
    »Überhol mich lieber«, sagte ich. »Ich trabe eher gemütlich. Was sagt der Puls?«
    »180«, keuchte Oda-Gesine.
    »Dann können wir ja noch ’n Zahn zulegen«, rief ich munter. Sie lief tatsächlich noch etwas schneller.
    »Erstaunlich, was du so schaffst«, rief ich hinter ihr her. »Das hätte ich dir nie, nie, niemals zugetraut!«
    »Ich bin doch eine alte Powerfrau!«, schrie Oda-Gesine. »Zäh wie Leder! Mich kriegt man nicht klein!«
    Nun ging es bergauf. Sachte, sachte, dachte ich. Schön im Puls bleiben. Ich war jetzt sicher wieder auf 145.
    Oda-Gesine nahm all ihre Kraft zusammen und walkte den Hügel hinauf. Ich wartete jede Sekunde darauf, dass sie zusammenbrechen würde. Aber das alte, zähe Stück Wellfleisch war nicht kleinzukriegen. Schade, dass ich das jetzt nicht in Zeitlupe filmen kann, dachte ich. Wie so die fetten Lefzen auf und ab wallen. Und das Beduinenzelt im Winde weht.
    Bönni tobte und bellte vor ihr her.
    »So ’n Hund hat doch ’n gesunden Instinkt«, rief ich. »Der weiß genau, welches Tempo gut für sein Frauchen ist!«
    »Deswegen halt ich mich ja auch an ihn!«, japste Oda-Gesine, und dann blieb sie plötzlich stehen. »Puh. Jetzt muss ich aber doch ein Päuschen machen.«
    Sie hielt den Kopf nach unten.
    »Ist dir schwindelig?«
    »Ein ganz klein bisschen.«
    »Mensch, Oda-Gesine, da vorne ist ’ne Bank. Schaffst du es noch bis dahin?«
    »Klar!«
    Oda-Gesine humpelte schwer keuchend zu der Bank und ließ sich darauf fallen. Das trockene Holz unter ihrem Hintern krachte. Oda-Gesine keuchte in flachen, schnellen Atemzügen. Genau wie ihr Köter. Flach, schnell und asthmatisch. Bönni legte seine Schnauze auf Oda-Gesines Knie und winselte.
    »Gleich geht’s weiter, Bönni«, sagte Oda-Gesine.
    »Mach nicht zu lange Pause«, sagte ich. »Sonst baut dein Körper kein Fett ab.«
    »Geht schon wieder«, entgegnete Oda-Gesine.
    »Also los! Lass den Puls nicht unter 170 kommen! Man muss Maßstäbe setzen! Nur so erreicht man was!«
    Oda-Gesine sprang auf, soweit das ihre Massen zuließen, und lief wieder los. Donnerwetter, dachte ich. Wenn die was will, dann beißt die sich durch.
    Plötzlich knickte Oda-Gesines rechtes Bein ein.
    »He, Vorsicht, bist du umgeknickt?«
    Oda-Gesine strauchelte und fiel hin. Schade, dass man das nicht in Zeitlup … »Oda-Gesine? Hast du dir weh getan?«
    Bestimmt. Wenn zweieinhalb Zentner auf den Boden krachen, tut man sich weh. Oda-Gesines Gesicht drehte sich ganz unnatürlich nach hinten. Ich beugte mich über sie. Die Augen waren zur Seite verdreht.
    »Mensch, Oda-Gesine, jetzt verbrennst du kein Fett!«
    Ich versuchte, Oda-Gesine den Arm zu reichen. In Erwartung, dass sie ihn ergriffe, packte ich ihre Hand. Doch Oda-Gesines rechter Arm schlug unmotiviert um sich. Ihr linkes Bein
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