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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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und den alten hölzernen Möbeln. Bönni nieste angewidert.
    »Tut mir leid, alter Junge, ich hab vergessen, dass du noch beim Essen bist.«
    »Böff«, machte Bönni.
    Ich summte immer weiter meine alten, bösen Lieder, während ich die Koffer unter den Sofas hervorangelte und sie zum Auto trug. Bönni beäugte mich gierig kauend, ohne von seiner Beute abzulassen. Seine Schnauze war voller Mayonnaise und Öl.
    Es waren insgesamt fünf bunte, schöne, peppige »Wört-Flört«-Trip-Koffer, mit zwei Partner-Griffen. Leider musste ich sie trotzdem ganz allein schleppen, denn Bönni konnte mir nicht helfen, und sonst war niemand da.
    Als ich den letzten Koffer im Kofferraum verstaut hatte, fing gerade der erste Tannenreiser an zu brennen.
    Feuerreiter, wie so kühle … reitest du in deinem Grab … husch, da fällt’s in Asche ab, ruhe woohhl, ruhe wohl drunten in der Mühle.
    »Perfektes Timing«, sagte ich zu Bönni.
    »Böff«, machte Bönni erstaunt.
    Ich hörte auf zu summen. Nur jetzt keinen Fehler machen. Ich wischte vorsichtshalber alles ab, was ich angefasst hatte, und legte den Hausschlüssel aufs Brettchen neben das holzgerahmte Ölgemälde von Oda-Gesine, auf dem sie noch jung und schön war.
    »Sport ist Mord, Schätzchen«, sagte ich zu ihr. Dann drehte ich mich nach Bönni um. »Leupold, mir gengan.«
    Ich habe »Wört-Flört« noch bis zur Sommerpause moderiert. Dann hatte ich keine Lust mehr. Nach etwa dreihundert Kandidaten, die ich gefragt hatte, was sie beruflich und in ihrer Freizeit machten und wie ihre Traumfrau aussehe, hatte ich das Gefühl, nichts mehr hinzuzulernen. Wegen des Geldverdienern musste ich den eintönigen Job sowieso nicht mehr machen, denn dreißig Millionen Mark geben sich nicht so leicht aus, selbst wenn man sich bemüht. Meine Kinder ahnen nicht, dass die Knete bei uns im Tischtenniskeller liegt. Wenn wir »Rundlauf« spielen, sitzen wir oft auf den bunten Koffern, auf denen »›Wört-Flört‹-Trip« steht. Vorsichtshalber habe ich sie abgeschlossen, aber die Kinder haben noch nie gefragt, was darin ist. Als Notlüge habe ich mir »›Wört-Flört‹-Klamotten« ausgedacht. Die Jungen interessiert das sowieso nicht, und die Mädchen sind noch zu klein.
    Die alten bösen Lieder, die Träume bös und arg, die laßt uns jetzt begraben, holt einen großen Sarg.
    Oda-Gesine hatte eine feine Beerdigung.
    Hinein leg ich gar manches, doch sag ich noch nicht, was. Der Sarg muss sein noch größer wie’s Heidelberger Faß.
    Oda-Gesine bekam ein Familiengrab, nicht etwa, weil sie noch jemanden erwartete, sondern weil ein Ein-Mann-Grab nicht groß genug war für sie.
    »Denn solchem großen Sarge gebührt ein großes Grab«, heißt es in Schumanns »Dichterliebe«. Wir waren alle da, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von DER SENDER und natürlich von »Nesti-Schock«, und das Grab bog sich vor Kränzen.
    Laut Polizeibericht war Oda-Gesine am frühen Morgen von Läufern im Wald gefunden worden. Sie war in ein schwarzes Cape gehüllt und hatte gebrauchte alte Joggingschuhe an den Füßen. Man vermutete, dass Oda-Gesine nach einem fetten und reichhaltigen Essen am frühen Sonntagabend nur in Begleitung ihres Hundes losgelaufen war, vermutlich aus dem plötzlichen Entschluss heraus, endlich etwas für ihre Fitness zu tun.
    Der Sportarzt, der am Montagvormittag ihren Totenschein ausstellte, schüttelte über soviel Unvernunft den Kopf: Völlig ohne Trainer und ohne Pulskontrolle loszulaufen, und das bei dem Gewicht, das sei das sichere Todesurteil für so einen »Fettkandidaten«. Sie hätte sich in erfahrene Hände begeben sollen. Vermutlich sei sie viel zu schnell gelaufen. Sie starb eines natürlichen Herztodes, soweit man unter solchen Umständen von »natürlich« sprechen kann.
    Ihr Hund, der wohl ihr einziger Begleiter gewesen war, wurde von Nachbarn aufgefunden, in deren Vorgarten er sich erbrochen hatte. Obduktionsberichten zufolge war sein Mageninhalt identisch mit dem von Oda-Gesines. Dieselben Nachbarn entdeckten auch, dass Oda-Gesines Haus abbrannte. Laut Polizeibericht hatte sie vermutlich nicht nur die Kerzen im Wohnzimmer brennen und die Spiritusflasche vom Fleischfondue offen herumstehen lassen, sondern auch noch vergessen, den alten, maroden Heizstrahler im Badezimmer auszuschalten.
    Wir schüttelten alle den Kopf über die arme, unvorsichtige Oda-Gesine, und ich versicherte immer wieder, wie gern ich ihr einige Tipps gegeben hätte, wenn sie mich nur gefragt
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