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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Autoren: Annette Dutton
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gestanden, auf dem Maria im weißen Kleidchen zu sehen war, vom Missionarsehepaar an den Händen gehalten. Sie hatte so zerbrechlich gewirkt.
    Vielleicht war es nur Nataschas journalistischer Instinkt, der sich ungefragt rührte, aber sie spürte, dass sie dem allen nachgehen musste. Es musste doch Verwandte geben oder sonst irgendjemanden, der von Marias Geschichte wusste. Sie griff zu dem kleineren Bündel, das neben der Adoptionsurkunde noch einen weiteren Brief enthielt. Es war der jüngste Brief von allen, und da er erst weit nach Ende des Zweiten Weltkriegs geschrieben wurde, hegte Natascha die unbestimmte Hoffnung, dass sie daraus mehr erfahren würde.
Townsville, September 1958
Meine liebe Maria,
Du hast mich gebeten, keinen Kontakt mehr zu Dir aufzunehmen, trotzdem muss ich Dir noch dieses eine Mal schreiben. Dies ist mein letzter Brief an Dich. Meine Hand zittert, während ich schreibe, doch meine Gedanken sind klar und ruhig.
Maria, ich weiß, dass Du dunkle Tage durchlebt hast. Die Mächte, die uns in diesem Leben zuweilen ergreifen und mit uns spielen wie der Wind mit einer Vogelfeder, sind viel zu oft jenseits unserer Kontrolle. Kriege, Stürme, Verfolgung – ich glaube, wir haben beide in unserem bescheidenen Leben mehr mit diesen Kräften zu tun gehabt, als uns lieb war. Ich denke oft an die schweren Stürme, die uns hier im tropischen Australien regelmäßig heimsuchen. Sie können fürchterlich wüten, Bäume entwurzeln und Häuser zerstören. Sie können unser Leben völlig durcheinanderwirbeln, doch wenn ich heute auf die See schaue, sehe ich nur tiefblaues Wasser, so ruhend und friedvoll, als hätte es nie zuvor ein Unwetter gegeben.
Vor vielen Jahren habe ich mich eng mit den Orta-People befreundet, sie sind zu meiner Familie geworden. Diese Menschen haben Dich voller Zuversicht gehen lassen, weil sie Dir vertraut haben. Die Orta sind Dir nahe wie ein enger Freund, auch wenn Du sie weder hörst noch siehst.
Ich verstehe, dass Du Dein eigenes Leben in Deutschland führst, aber vielleicht magst Du manchmal an diese Freunde aus dem großen Land denken.
Ich möchte, dass Du weißt, wie wichtig es ist, sich an die zu erinnern, die ein Teil von Dir sind. Aus diesem Grund schreibe ich Dir.
Eines Tages, so hoffe ich nämlich, wirst Du oder werden Deine Kinder oder vielleicht sogar Deine Enkelkinder hierherkommen, um das zu finden, was ich kenne und liebe. Es gibt eine Geschichte hier, die zu entdecken sich lohnt.
Meine Gedanken und Hoffnungen sind oft bei Dir, liebste Maria.
Von denen, die Dich immer geliebt haben,
Helen
    Und auf der Rückseite des Blattes fand Natascha noch eine Ergänzung, geschrieben in einer anderen Handschrift, ganz zittrig:
Ich habe heute Wale gesehen. Sie kommen jedes Jahr zum Kalben in diese eine Bucht, ob es einen Sturm gegeben hat oder nicht. Es kümmert sie nicht, sie tun das, was ihnen die Natur eingegeben hat. Sie leben, das ist ihre Bestimmung.
    Natascha ließ ihre Hand langsam sinken. »Von denen, die Dich immer geliebt haben.« Wollte oder konnte sich diese Helen nicht klarer ausdrücken? Was erzählte sie da so mysteriös von Stürmen, deren Natur angeblich dem Schicksal Marias so glich? Welche Geschichte sollte es in Australien zu entdecken geben?
    In den Briefen ihrer Großmutter hatte Natascha deutlich mehr Fragen als Antworten gefunden. Frustriert schob sie die Briefe zu einem kleinen Stapel zusammen, den sie dann in ihren Karton legte. Das Handy klingelte, sie hatte Lisa vollkommen vergessen.
    »Tut mir leid, ich schaff’s doch nicht zur Premiere, ich erklär dir den Grund ein anderes Mal. Kannst du deine Schwester noch erreichen?«
    »Sag mal, bist du etwa blöd? Keine Sekunde lässt mich die Kurze aus den Augen. Sie verfolgt mich wie die Pest das Mittelalter, seit sie von dem Ticket weiß. Jetzt muss ich sie also tatsächlich mit ins Kino schleppen? Na, herzlichen Dank, Natascha! Warte mal eben. Hörst du das Gekreische? Ich glaub, ich muss ihr genau jetzt eine runterhauen, damit sie wieder normal wird. Die reinste Hysterie hier. Matt Damon ist gerade angekommen. Ich mach dann mal Schluss. Ciao.«
    Natascha blickte ungläubig aufs Handy, aber Lisa hatte schon aufgelegt. Dabei hatte sie noch nach dem Namen des Reisebüros fragen wollen, von dem Lisa nach ihren letzten Ferien so geschwärmt hatte. Natascha überschlug kurz ihre Möglichkeiten. Sie hatte noch einiges an Urlaubstagen offen. Den guten Willen ihres Chefs vorausgesetzt, sollte es eigentlich möglich
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