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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Autoren: Annette Dutton
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ihrem Leben verschwunden, ohne ein Wort des Abschieds. Helene vermisste die Ältere schrecklich, versteckte jedoch ihre Sehnsucht vor den Eltern, denn sie fand wie alle anderen in der Gemeinde auch, dass der Vater recht gehandelt hatte. Ausgerechnet einen Katholiken! Wo doch jeder Lutheraner wusste, dass der Papst der Teufel war! Katharina aber ließ sich vom väterlichen Rauswurf nicht von ihrem Glück abhalten und heiratete Matthias Jakobsen. Drei Jahre später waren Katharina und Matthias zusammen mit ihren Töchtern dem Ruf eines Freundes nach North Queensland in Australien gefolgt, um sich dort in den Tropen eine Zuckerrohrfarm aufzubauen. Eine größere Entfernung hätte Katharina wahrlich nicht zwischen sich und Salkau legen können.
    Im Nachhinein konnte Helene ihre Schwester für ihre Entschiedenheit nur bewundern. Vielleicht, so dachte sie, war Katharina schon immer die Stärkere von uns beiden gewesen. Dieser Gedanke war Helene erst gekommen, seit sie selbst die wahre Liebe kennengelernt hatte. Erst dann konnte sie sich ein Bild davon machen, wie es in Katharina ausgesehen haben musste. Es war keineswegs Feigheit, sondern im Gegenteil großer Mut, der die Schwester für eine Liebe einstehen ließ, die gegen Gottes Gesetz war. Einen Mut, den Helene in einer ähnlichen Lage nicht aufzubringen vermocht hatte. Wäre sie vor sechs Jahren mutiger gewesen, wäre sie gar nicht erst zur Schwester nach Rosehill gegangen. Sie hätte einen anderen Weg gewählt.

    Katharinas Lachen holte Helene in die Gegenwart zurück. Die Schwester schimpfte im Scherz mit Söhnchen Peter, dem bestimmt wieder etwas aus den Händchen gefallen war. Katharina konnte sich nämlich nicht durchringen, ihren Sohn Amarina, Helenes engster Aborigine-Freundin, anzuvertrauen und ihn mit den Orta-Kindern spielen zu lassen. Erst hatte Helene noch versucht, mit der Schwester zu reden, ihr klarzumachen, wie harmlos die Aborigines seien und wie sehr sie Kinder liebten. Doch am Ende akzeptierte sie, dass Katharina ihre Haltung nicht teilen konnte.
    Im Gegensatz zu Katharina kannte Helene den Stamm der Orta aus nächster Nähe, ihre Tochter war bei ihnen zur Welt gekommen. Nicht, dass sie sich das ausgesucht hätte. Es war eine Notwendigkeit gewesen, ihr Kind und auch sie selbst hätten ohne die Orta die Geburt nicht überlebt. Helene schauderte noch heute, wenn sie sich an die Panik erinnerte, die damals von ihr Besitz ergriffen hatte, dieses schreckliche Gefühl nahenden Unheils. Doch die intensive Begegnung mit den Orta hatte sich für sie und für Nellie als Segen erwiesen.
    Ihre Tochter Nellie war nun vier Jahre alt. Sie liebte es, mit den Orta-Kindern in der freien Natur herumzutollen. Den halben Tag verbrachten sie am Wasserloch. Sie kletterten auf die Paperbarks am Ufer und schwangen sich an Lianen übers Wasser, bis sie sich schließlich, vor Freude kreischend, mitten hinein plumpsen ließen. Nellie hatte ihr dunkles Haar geerbt, das der Tochter in widerspenstigen Locken über den gebräunten Rücken fiel. Irgendwann hatte Helene es aufgegeben, auf die korrekte Kleidung der Kleinen zu achten, und ließ sie wie die anderen Kinder nackt spielen. Es war eine helle Freude, ihnen zuzuschauen. Dabei überraschte und beeindruckte es Helene, dass ihre Tochter mit den Aborigines in deren Sprache redete. Auf Rosehill sprachen sie Deutsch untereinander. Es wäre den Schwestern unnatürlich vorgekommen, mit den eigenen Kindern in einer fremden Sprache zu reden. Nur wenn sie sich mit Nachbarn unterhielten oder den Einheimischen irgendwelche Anweisungen gaben, taten sie dies auf Englisch. Die Sprache der Aborigines jedoch beherrschte keiner der Siedler. Schon jetzt hätte Helene den Kindergesprächen zwischen Nellie und ihren Aborigine-Freunden nicht mehr ohne Probleme folgen können, obwohl sie selbst mehr als nur ein paar Brocken des Orta-Dialekts sprach. Manchmal, wenn sie dort am Ufer des Wasserlochs gesessen hatte, um den Kindern zuzuschauen, erschien ihr das deutsche Salkau wie ein ferner Traum, und es fiel ihr schwer zu verstehen, wie sehr sich ihr Leben verändert hatte, seit sie damals in Hamburg an Bord des Dampfschiffs gegangen war.

    Sie fuhr aus ihren Erinnerungen hoch, als John Tanner sie ansprach. Seit etwa drei, vier Monaten kam ihr Nachbar am Vormittag regelmäßig auf eine Tasse Tee vorbei, sofern seine Arbeit es erlaubte.
    »Herrlicher Tag heute. Wie gemacht zum Träumen, nicht wahr?«
    Als er sah, dass sie zusammenzuckte, entschuldigte
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