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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition)
Autoren: Daniela Winterfeld
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Jahreszeitenwechsel an ein und demselben Ort verbracht. Warum also sollte sie jetzt auch noch das Ende des Sommers in der Provence erleben?
    Flucht! Das Wort, das ihr Leben beherrschte, spukte durch Finas Gedanken. Ihre Mutter und sie waren auf der Flucht. Schon seit sie denken konnte. Dennoch hatte sie sich nie daran gewöhnen können.
    Und jetzt wollte sie sich nicht mehr daran gewöhnen. Ihr Leben musste sich ändern! Sie war erwachsen. Sie durfte ihre eigenen Entscheidungen treffen – und ganz sicher wollte sie nicht für den Rest ihres Lebens vor ihrem Vater fliehen.
    Fina seufzte. Wann hatte es in ihrem Leben schon eine Rolle gespielt, was sie sich wünschte? Ihr Vater war ein Stalker, besessen von der Idee, seine Frau und seine Tochter zu sich zu holen. Fina war ihm zwar nie begegnet, aber sie wusste um die Angst ihrer Mutter. Um jeden Preis wollte ihr Vater sie besitzen, an jedem Ort der Welt hatte er sie bislang aufgespürt – und falls er tatsächlich irgendwann vor ihrer Tür stünde, gäbe es keine Chance mehr zu entkommen. Denn eher würde er sie und ihre Mutter töten, als sie wieder gehen zu lassen.
    Mit einem weiteren Seufzer trieb Fina die Stute zum Galopp. Sie duckte sich über die weiße, flatternde Mähne und genoss die warme Luft, die ihr entgegenschlug, als sie den Weinberg hinaufpreschte. Wer konnte schon sagen, wie oft sie noch hier entlangreiten würde? Womöglich war sie morgen bereits ganz woanders.
    Oben angekommen, parierte sie das Pferd wieder zum Schritt. Die Stute atmete heftig, und ihr Fell klebte feucht an Finas Beinen. Die kleine Camarguestute war nicht mehr die Jüngste.
    Fina beschloss, ihr ein bisschen Ruhe zu gönnen. Während sie das Pferd im Schritt weiterlenkte, sah sie über die Weinstöcke hinweg ins Tal. Die trockenen Grasflächen leuchteten ockerfarben, die Feldwege zogen rötliche Linien durch die Landschaft, und das Licht der Morgensonne wurde im Grün der Rosmarinsträucher reflektiert. Der Himmel schimmerte in einem tiefen Blau, nur unterbrochen von zwei riesigen Wolken, die aussahen wie Ufos. Nahezu regungslos hingen die Wolkenufos über dem Tal, als wollten sie jeden Moment zur Landung ansetzen. Lenticularis – die Vorboten des Mistrals, der bald von den Alpen herüberwehen würde.
    Noch war die Luft heiß und sandig, gesättigt vom Duft der Kräuter. Doch jederzeit konnte der kühle Nordföhn einsetzen, um den Sommer hinwegzufegen.
    Die Sonne war inzwischen so hoch gewandert, dass sich ihr Licht hinter der größeren Ufowolke verfing. Ein langer, mandelförmiger Schatten streifte das Gut des Weinbauern und verdunkelte das kleine Bruchsteinhaus, in dem Fina mit ihrer Mutter wohnte.
    Fina ließ die Stute anhalten und zog ihren Rucksack nach vorne auf den Bauch. Das Pferd trat auf der Stelle, während sie ihre Kamera herausholte. Sie schraubte einen Polarisationsfilter auf das Weitwinkelobjektiv, mit dem sie die Farben noch intensiver einfangen konnte.
    Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie durch den Sucher blickte. Sie hatte lange auf diesen Himmel gewartet, auf dieses bedrohliche Bild, das kaum perfekter sein könnte als an diesem Morgen. Sie nahm die beiden Ufos ins Visier, den Traktor, das Lavendelfeld und das kleine Ferienhaus, über dem der dunkle Schatten schwebte.
    Ihre Mutter hatte das Haus vor einem halben Jahr gekauft. So machte sie es jedes Mal, wenn sie weiterfliehen mussten: Sie kaufte ein möbliertes Ferienhaus, irgendwo auf der anderen Seite der Welt. Dort lebten sie, bis ihr Vater ihre Spur ausfindig machte, und wenn sie weitergeflohen waren, verkaufte sie das Haus wieder.
    Fina machte ein Foto nach dem anderen, zoomte näher heran und weiter weg, verschob den Bildausschnitt und stellte Belichtungszeiten und Blenden unterschiedlich ein.
    Schließlich tauchte eine andere Reiterin in ihrem Bild auf. Es war die Tochter der Nachbarn, die sich von der Invasion der Außerirdischen nicht weiter beeindrucken ließ. Fina musste grinsen. Sie ließ die Wolken so sehr verschwimmen, dass sie tatsächlich wie unbekannte Flugobjekte aussahen.
    Vielleicht sollte sie Celine das Bild schenken – als Entschädigung für ihr schlechtes Benehmen. In den fünf Monaten, die sie jetzt hier waren, hatte Fina nur einmal mit ihr geredet. Sie waren ungefähr gleich alt, und Celine wollte nach dem Sommer in Paris studieren. Etwa eine halbe Stunde lang waren sie nebeneinander hergeritten, und die Nachbarstochter hatte davon geredet, wie dringend sie von zu Hause
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