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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition)
Autoren: Daniela Winterfeld
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schob sich zwischen sie und das Salztor und trieb sie weiter in seine Welt. »Wirklich alles will sie ihm geben?« Ein gieriges Lächeln glitt über sein Gesicht, verschlang die Formen ihres Körpers, bis sie zitternd vor ihm zurückwich.
    »O nein, sie lügt schon wieder. Nicht alles möchte sie ihm geben.« Der Geheime kicherte. »So sind sie immer, die Menschen. Erst versprechen sie ihm ihr Teuerstes, und dann wollen sie es nicht hergeben. Was möchte das Weibchen ihm denn bieten? Will sie ihm das Gold zurückgeben, das er ihr schenkte? Will sie ihm eines ihrer Häuser vermachen? Was soll denn der Geheime mit solcherlei Gut? Es ist wertlos in seiner Welt!« Er schnaubte verächtlich. »Gib sie ihm das Lebendige, ihr Liebstes – so wie ihr Wort es versprochen hat.« Wieder streckte er seine Arme aus.
    Sie zog das Kind vor ihm zurück.
    Der Geheime fauchte sie an: »Will sie ihn reizen? Will sie von ihm getötet werden? Er kann ihr den Wunsch gerne erfüllen. Nun gib sie ihm das Kind!«
    Das Weibchen hielt den Atem an. Trotzig streckte sie ihr Kinn vor. »Und was, wenn ich deinen Namen weiß?«
    Er erschrak. Seine Arme zuckten vor ihr zurück. Seinen Namen! Konnte sie seinen Namen wissen? Hatte er ihn unbedacht ausgesprochen? Hatte ein Wanderer ihn aufgeschnappt und ihr verraten? Sie würde ihn töten, wenn sie seinen Namen nannte.
    Das Weibchen kniff die Augen zusammen, fast so, als könnte sie seinen Blick imitieren. »Dein Name ist Rumpelstilzchen!«
    Der Geheime lachte laut auf, die Erleichterung ließ ihn auf und ab hüpfen. »So ein einfältiges, törichtes Weibchen! Hat sie doch geglaubt, ihn mit einem Menschenmärchen besiegen zu können!« Er verstummte, verengte seine Augen zu Schlitzen und knurrte sie an: »Sie hat ihre Chance vertan. Nun gib sie ihm ihr Kind! Es ist sein!« Er stieß seine spitze Nase in ihre Richtung, sprang auf sie zu und griff nach dem Kind.
    Sie schrie auf, aber es war ein Leichtes, ihr das Bündel aus den Armen zu reißen. Er sprang ein ganzes Stück vor ihr zurück und drückte das Kleine fest an sich. Es war winzig und zart, und doch schwerer, als er es von etwas so Kleinem erwartet hätte.
    Das Menschenweib rannte auf ihn zu, wollte ihm das Kind wieder wegnehmen. Aber er war flinker, wich ihr aus und verpasste ihr einen so kräftigen Stoß, dass sie zu Boden fiel.
    »Gib mir mein Kind zurück!«, kreischte das Weibchen so laut, dass es in seinen Ohren schrillte.
    Der Geheime hatte genug von ihr. »Ein tolldreistes Weibchen ist sie! Nun geh sie endlich, bevor er sie tötet! Er braucht sie nicht mehr, vergiss sie das nicht! Nur seine Gnade lässt ihr das Leben!« Er packte sie am Arm, zerrte daran und ließ sie die Kälte spüren, mit der er sie töten könnte.
    Auf einmal beeilte sie sich, folgte seinem Ziehen und stand auf. Der Geheime stieß sie über das Tor auf den Wanderweg. Sie taumelte nach hinten, sah sich um und suchte nach ihm. Doch für ihren Blick war er unter dem Tarnzauber verborgen.
    Hastig wischte der Geheime mit den Füßen über das Salz, verteilte es über den Boden und trat es in den feuchten Untergrund, damit es sich auflöste.
    »Wo bist du? Gib mir sofort mein Kind!« Das Weibchen lief über die Stelle, an der eben noch das Salz gelegen hatte.
    Aber das Tor hatte seine Wirkung verloren. Sie blieb stehen, drehte sich um sich selbst. Ihr Blick irrte vom See über den Wanderweg, streifte den Geheimen, ohne ihn zu sehen.
    Der Geheime unterdrückte jeden Laut, hoffte, dass auch das Baby still bleiben würde, während er über den schwingenden Boden davonschlich. Schließlich erreichte er den Pfad, der zwischen den Torfstichen in den abgelegenen Teil des Moores führte, und blieb stehen. Zum ersten Mal warf er einen Blick auf das Gesicht der Kleinen. Mit großen, schwarzen Augen sah sie ihn an. Auch ihre Haare waren schwarz, und ihre Haut schimmerte in einem dunklen Karamellton.
    Der Geheime suchte im Antlitz des Kindes nach den Zügen des Weibchens – doch offenbar kam es ganz nach seinem Vater.
    Hatte es einen so dunklen Vater?
    Warum nicht?, versuchte der Geheime sich zu beruhigen. Die Menschen hatten sich über die ganze Welt verteilt und durchmischt, also konnte dieses Weibchen sich auch in ein dunkles Männchen verliebt haben.
    Das Weibchen war hinter ihm auf dem Wanderweg zusammengesunken und schluchzte.
    Der Geheime ging weiter. Er achtete nicht länger darauf, seine Schritte vor ihren Ohren zu verbergen, und eilte auf dem Pfad immer tiefer ins Moor
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