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Der geheime Garten

Der geheime Garten

Titel: Der geheime Garten
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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schienen, war ziemlich aufregend.
    »Ich freue mich riesig, daß wir hierher gekommen sind«, sagte Colin. »Nie hätte ich mir gedacht, daß wir in einem so großen, alten, seltsamen Haus leben. Ich finde es schön. Von nun an wollen wir es an jedem Regentag auskundschaften. Sicher entdecken wir jedesmal etwas Neues.«
    Von den neuen Erlebnissen hatten sie heute einen so großen Appetit, daß sie das Essen, das sie in Colins Zimmer vorfanden, unmöglich zurückschicken konnte.
    Die Schwester trug das Tablett in die Küche zurück und knallte es auf die Anrichte.

    »Sehen Sie sich das an«, sagte sie zum Koch. »Dieses Haus ist voller Geheimnisse. Und am geheimnisvollsten sind die beiden Kinder darin.«
    »Wenn sie sich jeden Tag derart dranhielten«, sagte der starke, junge Diener John, »wäre es kein Wunder, wenn sie bald doppelt so viel wiegen würden wie vor einem Monat. Ich müßte meine Stelle aufgeben, weil ich den Wagen nicht mehr schieben könnte!«
    Am Nachmittag bemerkte Mary in Colins Zimmer eine kleine Veränderung. Sie sagte nichts, aber sie richtete die Augen fest auf das Bild über dem Kamin. Sie konnte es betrachten, weil der Vorhang zur Seite gezogen war.
    »Ich weiß, du erwartest von mir, daß ich es dir erkläre«, sagte Colin, nachdem sie das Bild eine Weile angestarrt hatte. »Ich weiß immer, wann du von mir eine Antwort erwartest. Du wunderst dich darüber, daß der Vorhang zur Seite geschoben ist. Von jetzt an soll es so bleiben.«
    »Warum?« fragte Mary.
    »Weil es mich nicht mehr traurig macht, sie lachen zu sehen. Ich erwachte vor zwei Nächten im hellen Mondlicht und fühlte, daß ein Zauber in meinem Zimmer wirksam war. Ich konnte nicht anders, ich stand auf und zog an der Schnur. Sie lachte zu mir herunter, als ob sie glücklich darüber wäre, daß ich vor ihr stand. Plötzlich fand ich es schön, sie anzusehen. Jetzt will ich, daß sie mich immer anlacht. Vielleicht ist sie selbst eine Zauberin gewesen.«
    »Du gleichst ihr so sehr«, sagte Mary, »daß ich manchmal glaube, ihr Geist habe sich in dich verwandelt.«
    »Wenn ich von ihrem Geist wäre, würde mein Vater mich wohl lieben«, sagte er langsam.
    »Möchtest du denn, daß er dich liebt?« fragte Mary leise.
    »Ich habe den Gedanken, daß er mich nicht leiden kann, fast nicht ertragen können. Wenn er mich liebte, würde ich ihm von dem Zauber erzählen. Vielleicht würde es ihn glücklich machen.«

Es ist Mutter

    Der Glaube an Zauberdinge beschäftigte die Kinder ungemein. Colin be­gann, allen Unterricht im Zaubern zu geben. »Ich tue das gern«, sagte er, »weil ich ein Wissenschaftler und Entdecker werden will. Dann muß ich Übung darin haben, Vorträge zu halten. Jetzt kann ich nur kurze Lektionen geben, weil ich noch sehr jung bin, und außerdem, wenn ich eine lange Rede hielte, würde Ben Weatherstaff einschlafen.«
    Während Colin so unter dem Baum stand, betrachtete ihn der alte Mann voll tiefer Zuneigung. Colins Vortrag interessierte ihn ganz und gar nicht. Sein Interesse galt Colins Beinen, die von Tag zu Tag kräftiger wurden. Er betrachtete auch den Kopf des Jungen, sah, wie aufrecht er ihn trug, sah das Kinn, das noch vor kurzem so scharf­geschnitten war, und die Wangen, die sich schön gerundet hatten. Colins Augen leuchteten, wie das Augen­paar geleuchtet hatte, das Ben in seiner Erinnerung bewahrte: Oft hätte Colin gern gewußt, woran der alte Mann dachte. Als Ben ihn wie­der einmal so anschaute, fragte er ihn:
    »Woran denkst du, Ben Weatherstaff?«
    »Daran«, antwortete Ben, »daß du in dieser Woche mindestens drei Pfund zugenommen hast. Ich habe mir eben deine Schultern angesehen.«
    »Das macht der Zauber — und Mrs. Sowerbys Brötchen, die Milch und noch andere Sachen«, sagte Colin. »Du siehst, das wissenschaftliche Experiment ist gelungen.«
    An diesem Morgen kam Dickon zu spät, um Colins Vortrag zu hören. Als er den Garten betrat, war sein Gesicht vom Laufen gerötet und noch glänzender als sonst. Da nach dem Regen das Unkraut üppig zu wuchern begonnen hatte, machten die drei sich an die Arbeit. Nach einem war­men Regen gab es immer viel Arbeit. Die Feuchtigkeit, die den Blumen wohltat, stärkte auch das Unkraut, das ausgerissen werden mußte, ehe die Wurzeln zu kräftig wurden. Colin konnte jetzt ebensogut Unkraut jäten wie die anderen. Dabei durfte er erst noch seine gescheiten Reden halten.
    »Der Zauber wirkt am besten, wenn man arbeitet«, dozierte er eben. »Man spürt es in
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