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Der Gefundene Junge

Der Gefundene Junge

Titel: Der Gefundene Junge
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begriff nicht, inwelch heiklem Zustand sich der Turm befand. Das gesamte Gebäude schwankte förmlich im Sturm.
    Ein fassgroßer Stein fiel nach innen und Hap musste sich mit dem Rücken an die Wand drücken, um nicht davon zerschmettert zu werden. Der Stein rollte die Treppe hinab. Als er in die abgerundete Wand unter ihm krachte, schob er einen weiteren Stein zwei Handbreit nach außen.
    Â»Wir werden alle sterben«, sagte Hap. Er musste drei tiefe Atemzüge von der feuchten, salzigen Luft nehmen, bevor er weitergehen konnte. Die Turmspitze konnte nicht mehr weit sein, denn von oben drangen neue Geräusche an sein Ohr. Anfänglich waren sie über das Geheul des Sturms in den Mauerritzen kaum zu hören, aber je höher er stieg, desto deutlicher wurden sie. Und was er hörte, war völlig unerwartet.
    Umber redete. Das allein war schon erstaunlich genug, doch was Hap am meisten verwunderte, war sein Tonfall. Er klang ganz nach dem alten, überschwänglichen Umber, nicht nach dem traurigen Gespenst, das in den letzten beiden Wochen durch Aerie gespukt war. Trotz seiner Angst musste Hap lächeln.
    Â»Na los, Occo!«, hörte er Umber ausrufen. »Mir kannst du es doch sagen. Wie hast du auf dem Meer unsere Fährte aufgenommen? Es schadet doch nichts, wenn du es mir verrätst.«
    Die eiskalte Stimme Occos antwortete: »Ich habe meine Stute ausgesandt, um den Wal zu verwunden. Sie kann das Blut im Wasser riechen, und dieser Spur sind wir gefolgt.«
    Â»Clever«, gab Umber zurück. »Darauf hätte ich eigentlich kommen können. Und was für eine Art Wesen bist du? Gibt esviele von dieser Spezies? Und was willst du von mir? Die Spannung bringt mich schier um!«
    Â» Ich werde der sein, der dich umbringt, wenn du nicht den Mund hältst.«
    Es klang so, als befänden sie sich nur eine halbe Treppe entfernt. Hap fragte sich, ob er sich unbeobachtet anschleichen und den Widerling überraschen könnte. Aber diese Hoffnung zerschlug sich, als von unten ein Geräusch heraufdrang und von den Mauern widerhallte: Occos Pferd wieherte. Ein Signal , dachte Hap.
    Â»Ruhe jetzt«, zischte Occo, »er kommt!«
    Â»Wer denn?«, fragte Umber gut gelaunt. Hap vernahm ein metallisches Flüstern, wie von einer Klinge, die aus ihrer Scheide gezogen wird. »Schon gut, ich bin ja schon still«, sagte Umber.
    Hap ballte die Fäuste und bereitete sich innerlich auf das vor, was immer jetzt passieren würde. Er drückte sich mit dem Rücken an die Außenwand und schlich die restlichen Stufen hinauf. Das Schwanken war hier oben im Turm noch stärker spürbar. Mörtelbröckchen fielen aus dem Mauerwerk und rollten die Treppe hinunter, klick, klack, klick . Weit unten bewegte sich etwas und stürzte zusammen, so dass der gesamte Turm erbebte.
    Â»Es scheint mir hier nicht allzu sicher zu sein, oder? Vielleicht sollten wir besser gehen?«, hörte er Umber sagen. »Entschuldigung«, fügte er hinzu, als Occo ihn anknurrte.
    Hap bemerkte vor sich ein orangefarbenes Licht, das mit jedem Schritt heller wurde. Dann konnte er die Schwelle des Raums sehen. Zwei Schritte weiter, und er erblickte Umbers mit Stricken gefesselte Beine. Ein weiterer Schritt enthüllte ihm diegesamte Gestalt Umbers, der mit dem Rücken an die Wand gelehnt dasaß. Seine Arme waren an den Körper gefesselt, und Occo hatte ihm mit einem Tuch die Augen verbunden. An seinem Hals lag die Spitze eines Säbels.
    Hap hielt inne, solange er noch außerhalb von Occos Blickfeld war. Wenn er seine Chance, Umber und sich selbst zu retten, nicht verspielen wollte, gab es noch eine letzte Sache, die er tun musste. Als die erledigt war, machte er den letzten Schritt und erreichte die Türschwelle.
    Von dort aus konnte er den ganzen Raum überblicken. Er war rund – oder war es zumindest früher einmal gewesen, bevor ein Viertel abgebrochen war. Jetzt klaffte an einer Seite ein tiefes Loch mit unregelmäßigen Kanten. Draußen wüteten die Elemente.
    Occo stand mit dem Säbel in der Hand neben Umber. Über seinen Kopf hatte er sich wieder den Sack aus durchscheinender Gaze gestülpt. Durch das einzige Loch spähte ein blaues Auge hervor. »Na endlich «, flüsterte Occo, als Hap im Lichtschein der Laterne erschien.
    Â»Endlich was? Wer ist da? Moment – es ist doch nicht etwa Happenstance, oder? Hap, sag mir, dass nicht du
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