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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene
Autoren: John Grisham
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Wohltätigkeitsveranstaltung im Firehouse, einem beliebten Treffpunkt in der Nähe des Campus der University of Oklahoma, ein, wo er singen und reden sollte. Sein Auftritt vor zweihundert Personen - einem viel größeren Publikum, als er es sonst kannte - wühlte ihn so auf, dass er sich zu weit vom Mikrofon entfernt aufstellte. Seine Stimme war kaum zu hören, aber sein Vortrag kam trotzdem gut an. An diesem Abend lernte er Dr. Susan Sharp kennen, eine Professorin für Kriminologie an der University of Oklahoma, die sich aktiv für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzte. Sie lud ihn in ihre Vorlesungen ein, was er gern wahrnahm. Die beiden freundeten sich an. Bald betrachtete Ron Dr. Sharp als seine Freundin, während sie sich bemühte, die Beziehung auf einer freundschaftlich-professionellen Ebene zu halten. Sie erkannte, wie tief verletzt und vom Leben gezeichnet er war, und war entschlossen, ihm zu helfen. Eine Liebesbeziehung kam für sie nicht infrage, was er bereitwillig akzeptierte.
    Dann war die erste Phase im Übergangsheim abgeschlossen. Die zweite Phase bestand darin, dass er eine eigene Wohnung bezog. Annette und Renee beteten inbrünstig, dass er es schaffen möge, allein zu leben. Sie versuchten, den Gedanken an eine Zukunft in Pflegeheimen, betreuten Einrichtungen und psychiatrischen Kliniken zu verdrängen. Falls er Phase zwei überstand, wäre der nächste Schritt die Arbeitssuche. Etwa einen Monat lang hielt Ron durch, dann ging es zunehmend bergab. Ohne festen Tagesablauf auf sich selbst gestellt, hörte er auf, seine Medikamente regelmäßig zu nehmen. Lieber wollte er ein kühles Bier. Sein Stammlokal wurde das Deli, eine Kneipe auf dem Campus, die vor allem Säufer und Teenager aus der Subkultur anzog. Ron hielt sich regelmäßig dort auf. Wie immer war er kein sehr angenehmer Zeitgenosse, wenn er getrunken hatte.
    Am 29. Oktober 2001 gab Ron in seinem Verfahren seine Aussage zu Protokoll. Im Büro des Gerichtsstenografen drängten sich die Anwälte, die den Mann befragen wollten, der regionale Berühmtheit erlangt hatte.
    Nach ein paar einleitenden Fragen meldete sich der erste Anwalt der Beklagten zu Wort. »Nehmen Sie irgendwelche Medikamente?«
    »Ja.«
    »Und hat Ihnen ein Arzt diese Mittel verschrieben oder Sie angewiesen, sie einzunehmen?«
    »Ja, ein Psychiater.«
    »Haben Sie eine Liste der Medikamente, die Sie gegenwärtig einnehmen, oder wissen Sie die Mittel auswendig?«
    »Ich weiß, was ich nehme.«
    »Und was ist das?«
    »Zweihundertfünfzig Milligramm Depakote viermal täglich, Zyprexa einmal täglich abends und Wellbutrin einmal täglich.«
    »Wofür sind diese Medikamente Ihrer Meinung nach?«
    »Depakote ist gegen Stimmungsschwankungen, Wellbutrin gegen Depressionen und Zyprexa gegen eingebildete Stimmen und Halluzinationen.«
    »In Ordnung. Heute interessiert uns ganz besonders, ob diese Mittel Ihr Erinnerungsvermögen beeinträchtigen. Tun Sie das?«
    »Das kann ich nicht sagen. Sie haben mich ja noch nichts gefragt, woran ich mich erinnern müsste.«
    Die Aussage zog sich über mehrere Stunden hin. Am Ende war er völlig erschöpft. Als Beklagter beantragte Bill Peterson, die Klage schon im Vorverfahren als unbegründet abzuweisen, ein Routinemanöver, das ihn aus dem Verfahren heraushalten sollte.
    Die Kläger machten geltend, Peterson habe seine Immunität verwirkt, als er seine Befugnisse als Staatsanwalt überschritten und angefangen habe, die polizeilichen Ermittlungen im Fall Debbie Carter zu leiten. Sie führten zwei eindeutige Beispiele dafür an, dass Peterson mutmaßlich Beweise gefälscht hatte.
    Das erste war der von Glen Gore für das Zivilverfahren beeideten schriftlichen Erklärung entnommen. Darin sagte Gore aus, Bill Peterson habe ihn in seiner Zelle im Gefängnis von Pontotoc County aufgesucht und ihm gedroht, falls er nicht gegen Ron Williamson aussage. Der Erklärung zufolge hatte Peterson gesagt, Gore könne nur hoffen, »dass seine Fingerabdrücke nicht in der Wohnung von Debbie Carter gefunden werden« und »er könne sich Gore durchaus noch vorknöpfen«.
    Der zweite von den Klägern angeführte Fall, in dem Beweise gefälscht worden waren, bezog sich auf den zweiten Abdruck von Debbie Carters Hand. Peterson gab zu, dass er sich im Januar 1987 mit Jerry Peters, Larry Mullins und den Ermittlern aus Ada getroffen hatte, um sich über den Abdruck zu unterhalten. Er hatte davon gesprochen, dass er hinsichtlich der Ermittlungen »mit seinem Latein am
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