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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Ziebula
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gestochen, die es mit dem Kaiser und den Papisten halten«, sagte er endlich. »Und freilich sind es Schandmäuler. Beten wir also zu Gott, dass er ihnen ihre Lästermäuler stopfen möge und dass unser Kurfürst durch seine Gnade auch in Böhmen noch viele Sommer und Winter regieren wird.«
    Die Männer sprachen weiter, Susanna hörte nicht mehr zu. Etwas an des Vaters Worten hatte sie beunruhigt. Was, vermochte sie nicht genau zu sagen. Vielleicht weil sie nahelegten, der Kurfürst Friedrich habe die Fürbitte seiner Untertanen nötig? Vielleicht weil so ein unausgesprochener Zweifel in ihnen schwang?
    Sie schob die Fragen beiseite und gab sich den Fragen hin, die sie weit mehr beunruhigten: Was hatten Hannes und der Vater geredet gestern Abend? Warum hatte der Vater sie noch nicht beiseitegenommen, um von Hannes’ Besuch und Antrag zu berichten? Und warum war er so wortkarg am Frühstückstisch gewesen?
    Ihre Öllampe flackerte. Ein Kribbeln im Nacken holte sie aus ihren Grübeleien. Sie merkte, dass sie Nadel und Garn hatte sinken lassen, dass sie wieder ins Schneetreiben vor dem Fensterstarrte. Sie wandte sich um – und begegnete dem strengen Blick ihrer Mutter.
    Mutter wusste Bescheid! Siedendheiß durchfuhr es Susanna: Natürlich hatten die Eltern über Hannes und sein Begehren gesprochen. Die Mutter kannte die Antwort, hatte sie dem Vater wahrscheinlich schon Tage zuvor in die Ohren gezischt. Ihre bleiche Miene war ein einziges kaltes »Nein!«. Susanna wich ihrem Blick aus, nahm Sticknadel und Rotgarn auf und arbeitete weiter.
    Es wurde Nachmittag, der Vater schickte Susannas Schwester Anna mit Leinen und Garn zum Waisenhaus im Atzelhof. Dort nähte der Großvater, der alte Meister Merkel, seit Wochenbeginn Wäsche für die Waisenkinder. Ein eisiger Luftzug fuhr durch die Werkstatt, als die Großmutter der Vierzehnjährigen die Haustür öffnete und sie in den verschneiten Hof hinausschob.
    Eine Blume nach der anderen entstand unter Susannas Fingern. Wieder und wieder stand die Mutter mit der Elle hinter ihr, sah Susanna über die Schultern und kehrte stumm zum Zuschneidetisch zurück.
    Auf dem Nähtisch rund um das Kohlestövchen, an dem sie sich hin und wieder die klammen Finger wärmten, sprachen die Männer über die Mäuseplage nach dem letzten Winter und über das Hochwasser im Frühsommer, das ihr ein Ende setzte. Auch über die Krönung des Kaisers Ferdinand im Sommer in Frankfurt sprachen sie und dann wieder über Kriegsgeschehen in Österreich und Böhmen.
    Namen von Heerführern fielen, die Susanna nie zuvor gehört hatte: Graf von Mansfeld etwa, dessen Kriegsvolk für die protestantische Union und den Kurfürsten Friedrich kämpfte, oder General Tilly, der dem Herzog von Bayern und der katholischen Liga – und damit dem Kaiser – die Schlachten schlug. Sogar den Beinamen des frommen Generals Tilly kannte der ältere Geselle – »geharnischter Mönch« nannte man ihn angeblich. Susanna hörte es und fröstelte.
    Überhaupt wusste der ältere Geselle viel zu erzählen, denn er studierte die Zeitungen, die der Vater ins Haus brachte. Er tat alles, was dem Vater gefiel, hatte lesen gelernt, hatte auch seinen lutherischen Glauben aufgegeben und war ein Reformierter geworden, wie es in der Kurpfalz und im Hause des Meisters Friedrich Almut Sitte war. Jetzt hörte Susanna ihn über die Kometen reden, deren Erscheinen im vergangenen Jahr die Gemüter an Rhein und Neckar aufgewühlt hatte.
    »Der Kaiser Matthias stirbt«, rief er in seiner lauten Art, »und drei Kometen tauchen am Himmel auf. Ist das nicht seltsam? Drei Kometen in einem Jahr, und am schrecklichsten sah der dritte aus. Wie ein von Blut triefender Türkensäbel leuchtete er am Himmel, von September bis November. Wisst Ihr es noch, Herr Meister? Den Zorn Gottes hat er angekündigt, hat meine Frau Mutter gesagt.«
    »Propheten kündigen den Zorn oder die Gnade Gottes an«, entgegnete der Vater. »Kometen aber sind keine Propheten, sondern wandernde Himmelkörper. Wenn sie am Himmel leuchten, bedeutet es, dass sie da sind und bald wieder verschwinden werden. Nichts weiter.«
    »Die Leute sagen aber, die Kometen hätten den dichten Nebel im Neckartal vergiftet«, sagte der zweite, jüngere Geselle.
    »Unsinn!« Der Vater wurde schroff.
    »Und was ist mit den drei Sonnen, die man jüngst tagsüber, und den drei Monden, die man nachtsüber sah?« Der ältere Geselle gab keine Ruhe. »Sie standen nur über Heidelberg. Zu Worms und zu
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