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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition)
Autoren: Erich Kästner
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Grüne weg, rauschte eine üppige Dame, bestimmt Frau Sommer, durch den Vorhang und sagte: »Darf ich Sie in mein Büro führen.« Fabian folgte.
    »Mir wurde Ihr Klub von einem gewissen Herrn Bertuch empfohlen.«
    Sie blätterte in einem Heft und nickte. »Bertuch, Friedrich Georg, Bürochef, 40  Jahre, mittelgroß, brünett, Karlstraße 9 , musikliebend, bevorzugt schlanke Blondinen nicht über fünfundzwanzig Jahre alt.«
    »Das ist er!«
    »Herr Bertuch verkehrt seit Oktober bei mir und war in dieser Zeit fünfmal anwesend.«
    »Das spricht für Ihr Institut.«
    »Die Anmeldegebühr beträgt zwanzig Mark. Jeder Besuch kostet zehn Mark extra.«
    »Hier sind dreißig Mark.« Fabian legte das Geld auf den Schreibtisch. Die üppige Dame steckte die Scheine in eine Schublade, nahm einen Federhalter und sagte: »Die Personalien?«
    »Fabian, Jakob, 32  Jahre alt, Beruf wechselnd, zur Zeit Reklamefachmann, Schaperstraße 17 , herzkrank, Haarfarbe braun. Was müssen Sie noch wissen?«
    »Haben Sie hinsichtlich der Damen bestimmte Wünsche?«
    »Ich möchte mich nicht festlegen. Mein Geschmack neigt zu Blond, meine Erfahrung spricht dagegen. Meine Vorliebe gehört großen Frauen. Aber das Bedürfnis ist nicht gegenseitig. Lassen Sie die Rubrik frei.«
    Irgendwo wurde Grammophon gespielt. Die üppige Dame erhob sich und erklärte ernst: »Ich darf Sie, bevor wir hineingehen, mit den wichtigsten Statuten bekannt machen. Annäherungen der Mitglieder untereinander werden nicht übelgenommen, sondern erwartet. Die Damen genießen dieselben Rechte wie die Herren. Von der Existenz, der Adresse und den Gepflogenheiten des Instituts ist nur vertrauenswürdigen Herrschaften Mitteilung zu machen. Den idealen Absichten des Unternehmens ungeachtet sind die Konsumkosten sofort zu begleichen. Innerhalb der Klubräume hat keines der Paare drauf Anspruch, respektiert zu werden. Paare, die ungestört zu bleiben wünschen, werden gebeten, den Klub zu verlassen. Das Etablissement dient der Anbahnung von Beziehungen, nicht den Beziehungen selber. Mitglieder, die einander vorübergehend zu gegenseitigem Befund Gelegenheit gaben, werden ersucht, das wieder zu vergessen, da nur auf diese Weise Komplikationen vermeidbar sind. Haben Sie mich verstanden, Herr Fabian?«
    »Vollkommen.«
    »Dann bitte ich Sie, mir zu folgen.«
    Dreißig bis vierzig Personen mochten anwesend sein. Im ersten Raum wurde Bridge gespielt. Nebenan wurde getanzt. Frau Sommer wies dem neuen Mitglied einen freien Tisch an, sagte, daß man sich notfalls jederzeit an sie wenden könne, und verabschiedete sich. Fabian nahm Platz, bestellte beim Kellner Kognaksoda und sah sich um. War er auf einer Geburtstagsgesellschaft?
    »Die Menschen sehen harmloser aus, als sie sind«, bemerkte ein kleines schwarzhaariges Fräulein und setzte sich neben ihn. Fabian bot ihr zu rauchen an.
    »Sie wirken sympathisch«, sagte sie. »Sie sind im Dezember geboren.«
    »Im Februar.«
    »Aha! Sternbild der Fische und paar Tropfen Wassermann. Ziemlich kalte Natur. Sie kommen nur aus Neugierde?«
    »Die Atomtheoretiker behaupten, noch die kleinsten Substanzpartikel bestünden aus umeinander kreisenden elektrischen Energiemengen. Halten Sie diese Ansicht für eine Hypothese oder für eine Anschauung, die dem wahren Sachverhalt entspricht?«
    »Empfindlich sind Sie auch noch!« rief die Person. »Aber es macht nichts. Sind Sie hier, um sich eine Frau zu suchen?«
    Er hob die Schultern. »Ist das ein förmlicher Antrag?«
    »Unsinn! Ich war zweimal verheiratet, das genügt vorläufig. Die Ehe ist nicht die richtige Ausdrucksform für mich. Dafür interessieren mich die Männer zu sehr. Ich stelle mir jeden, den ich sehe und der mir gefällt, als Ehemann vor.«
    »In seinen prägnantesten Eigenschaften, will ich hoffen.«
    Sie lachte, als hätte sie den Schlucken, und legte die Hand auf sein Knie. »Richtig gehofft! Man behauptet, ich litte an stellungsuchender Phantasie. Sollten Sie im Verlauf des Abends das Bedürfnis haben, mich nach Haus zu bringen, meine Wohnung und ich sind klein, aber stabil.«
    Er entfernte die fremde unruhige Hand von seinem Knie und meinte: »Möglich ist alles. Und jetzt will ich mir das Lokal ansehen.« Er kam nicht dazu. Wie er sich erhob und umwandte, stand eine große, programmäßig gewachsene Dame vor ihm und sagte: »Man wird gleich tanzen.« Sie war größer als er und blond dazu. Die kleine schwarzhaarige Schwadroneuse befolgte die Statuten und verschwand. Der
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