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Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe

Titel: Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
Autoren: Lara Wegner
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beugte sich eine Frau tief über die reglos daliegende Gestalt. Honigblondes Haar kringelte sich über ihren Rücken und ihre Schultern bebten.
    „Gil?“
    Die eigene Stimme klang hohl in seinen Ohren. Die Frau fuhr zusammen, hob den Kopf und wich von dem Tisch zurück. Es war Gilian. Die Flutwelle kam, obgleich nicht in Form von Wasser. Sie war ein alles verätzender Schmerz. Ähnlich blieb die Gewalt, mit der sie Juvenal den Boden unter den Füßen entzog. Er ging steifbeinig auf den Tisch zu und musste die Kanten umfassen, um sich aufrecht zu halten. Das konnte nicht sein Sohn sein! Das war nur eine Maske aus Wachs mit seinem Gesicht und bläulich verfärbten Lippen. Sancho, der ihm gefolgt war, fielen die Satteltaschen aus den Händen.
    „Um Himmels willen, was ist geschehen?“, stieß der Omega aus.
    Gilian war tot. Das war geschehen. Juvenal konnte noch so lange auf ihn hinabstarren, die Lider würden geschlossen bleiben. Niemals wieder würde er dem kühnen Blick seines Sohnes begegnen. Behutsam strich er eine lohfarbene Haarsträhne aus der wächsernen Stirn. Sein Sehfeld verschwamm, während sein Inneres gegen die Tatsachen aufbegehrte.
    Der Tod war Wegbegleiter jeden Kriegers, diese Lektion hatte er frühzeitig an seine Kinder weitergegeben. Für einen Alphawolf gab es keine Garantie für ein langes, geruhsames Leben. Dennoch hatte er inständig gehofft, dass diese Regel nicht für seine Kinder galt. Noch in seiner Jugend hatten die großen Schlachten gegen Vampire und Lamia ein Ende gefunden. Aus einem Krieg waren gelegentliche Scharmützel geworden. Sie hatten die Zahl ihrer Toten drastisch reduziert. Gleichwohl gab es auch ohne einen Krieg schwere Verluste. Zuerst seine Tochter Alba. Kurz darauf seine Gefährtin Sorscha. Nun auch noch Gilian. Welche gottverfluchte Sünde hatte er auf sich geladen, dass ihm seine Kinder und seine Gefährtin genommen wurden?
    Er ballte die Fäuste, kämpfte gegen die Schuldgefühle an, die ihn überrollen wollten. Wäre er nicht gemütlich durch die Lande gegondelt, er wäre früher eingetroffen und hätte das Unglück abwenden können. Mit Daumen und Zeigefinger rieb er sich die Augen und schüttelte seine Betäubung ab. Die Gegenwart von Sancho und der jungen Fremden wurde ihm wieder bewusst. Seine Trauer bezwingend drückte er den Rücken durch, doch seine Beine blieben instabile Stelzen.
    „Wo ist das Rudel?“, fragte er die junge Frau.
    Flugs machte sie einen Knicks und beugte den Nacken.
    „Nur ich bin noch hier, Sir“, hauchte sie hervor. „Alle anderen sind davongelaufen, nachdem sie Mylord hier niedergelegt haben. Sie wollten, dass ich mitgehe, aber mein Platz ist an seiner Seite. Ich bin Melody.“
    Rehbraune Augen, rot und vom Weinen verquollen, blickten zu ihm auf. Sie zeigte die Demut einer Omega. Gleichwohl war da neben Trauer und Trotz noch mehr. Eine Regung, die er nicht deuten konnte. Es gab weitere Gründe für ihr Bleiben. Das sagte ihm sein Instinkt.
    „Haben sie dir erzählt, was …“, er musste sich räuspern, „geschehen ist?“
    Ihre Mundwinkel bogen sich nach unten. „Dazu hatten sie es viel zu eilig, Sir. Aber ich weiß es auch so. Mylord starb wegen dieser Miss Dorothy Swindon. Verflucht soll ihre Seele sein. Seid Ihr sein Vater? In seinem Schlafzimmer ist ein Gemälde und …“
    „Ja“, fiel er ihr ins Wort.
    Wegen einer Frau sollte Gilian gestorben sein? So groß die Anziehung schöner Frauen auf die Garou war, alles hatte seine Grenzen. Diese Vergeudung von Kraft und Leben einzig wegen einer Liebschaft? Weißglut siedete in seinen Adern und strömte in einem Schwall aus Hitze über seinen Rücken. Der Wolf in ihm stellte den Rückenkamm auf.
    „Wer war dieses Frauenzimmer?“
    Melody zuckte die Schultern. „Die Tochter eines Richters. Mylord wollte sie heiraten. Bevor es dazu kam, habt Ihr ihn nach Paris gerufen. Zunächst wollte er Eure Bitte ignorieren. Ihretwegen. Branwyn war in London aufgetaucht. Ein schottischer Vampir. Sie ist ihm begegnet.“
    Damit war Gilians damalige Verspätung erklärt. Die Sorge um ein Menschenkind hatte ihn aufgehalten. Während der Wochen in Paris hatte er seine Wolfsgestalt beibehalten. Ihnen allen war es unbegreiflich gewesen. Sie hatten sogar befürchtet, er könnte nicht mehr zurückfinden in das Leben eines Mannes.
    „Unser Kampf gegen die Namenlosen in Paris liegt nahezu vier Jahre zurück.“
    „Vier unheilvolle Jahre waren es, Sir“, stimmte Melody bitter zu. „Als Mylord
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