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Der Freigeist

Der Freigeist

Titel: Der Freigeist
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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etwa: Ob ein hungriger Esel, der zwischen zwei Buendeln Heu steht, die einander vollkommen gleich sind, das Vermoegen hat, von dem ersten von dem besten zu fressen, oder, ob der Esel so ein Esel sein muss, dass er lieber verhungert?—
    Adrast . Auch daran ist nicht gedacht worden. Wir beschaeftigten uns mit einer Sache, bei der das Vornehmste nunmehr auf Sie ankoemmt.
    Lisidor . Auf mich?
    Vierter Auftritt
    52
    Der Freigeist
    Theophan . Auf Sie, der Sie unser ganzes Glueck in Haenden haben.
    Lisidor . Oh! ihr werdet mir einen Gefallen tun, wenn ihr es so geschwind, als moeglich, in eure eignen Haende nehmt.—Ihr meint doch wohl das Glueck in Fischbeinroecken? Schon lange habe ich es selber nicht mehr gern behalten wollen. Denn der Mensch ist ein Mensch, und eine Jungfer eine Jungfer; und Glueck und Glas wie bald bricht das!
    Theophan . Wir werden zeitlebens nicht dankbar genug sein koennen, dass Sie uns einer so nahen Verbindung gewuerdiget haben. Allein es stoesst sich noch an eine sehr grosse Schwierigkeit.
    Lisidor . Was?
    Adrast . An eine Schwierigkeit, die unmoeglich vorauszusehen war.
    Lisidor . Nu?
    Theophan und Adrast . Wir muessen Ihnen gestehen—
    Lisidor . Alle beide zugleich? Was wird das sein? Ich muss euch ordentlich vernehmen.—Was gestehen Sie, Theophan?—
    Theophan . Ich muss Ihnen gestehen,—dass ich Julianen nicht liebe.
    Lisidor . Nicht liebe? habe ich recht gehoert?—Und was ist denn Ihr Gestaendnis, Adrast?—
    Adrast . Ich muss Ihnen gestehen,—dass ich Henrietten nicht liebe.
    Lisidor . Nicht liebe?—Sie nicht lieben, und Sie nicht lieben; das kann unmoeglich sein! Ihr Streitkoepfe, die ihr noch nie einig gewesen seid, solltet jetzo zum ersten Male einig sein, da es darauf ankoemmt, mir den Stuhl vor die Tuere zu setzen?—Ach! ihr scherzt, nun merke ich's erst.
    Adrast . Wir? scherzen?
    Lisidor . Oder ihr muesst nicht klug im Kopfe sein. Ihr meine Toechter nicht lieben? die Maedel weinen sich die Augen aus dem Kopfe.—Aber warum denn nicht? wenn ich fragen darf. Was fehlt denn Julianen, dass Sie sie nicht lieben koennen?
    Theophan . Ihnen die Wahrheit zu gestehen, ich glaube, dass ihr Herz selbst fuer einen andern eingenommen ist.
    Adrast . Und eben dieses vermute ich mit Grunde auch von Henrietten.
    Lisidor . Ho! ho! dahinter muss ich kommen.—Lisette! he! Lisette!— Ihr seid also wohl gar eifersuechtig, und wollt nur drohen?
    Theophan . Drohen? da wir Ihrer Guete jetzt am noetigsten haben?
    Lisidor . He da! Lisette!
    Vierter Auftritt
    53
    Der Freigeist
    Fuenfter Auftritt
    Lisette. Lisidor. Theophan. Adrast.
    Lisette . Hier bin ich ja schon! Was gibt's?
    Lisidor . Sage, sie sollen gleich herkommen.
    Lisette . Wer denn?
    Lisidor . Beide! hoerst du nicht?
    Lisette . Meine Jungfern?
    Lisidor . Fragst du noch?
    Lisette . Gleich will ich sie holen. (Indem sie wieder umkehrt.) Kann ich ihnen nicht voraus sagen, was sie hier sollen?
    Lisidor . Nein!
    Lisette (geht und koemmt wieder). Wenn sie mich nun aber fragen?
    Lisidor . Wirst du gehen?
    Lisette . Ich geh.—(Koemmt wieder.) Es ist wohl etwas Wichtiges?
    Lisidor . Ich glaube, du Maulaffe, willst es eher wissen, als sie?
    Lisette . Nur sachte! ich bin so neugierig nicht.
    Sechster Auftritt
    Lisidor. Theophan. Adrast.
    Lisidor . Ihr habt mich auf einmal ganz verwirrt gemacht. Doch nur Geduld, ich will das Ding schon wieder in seine Wege bringen. Das waere mir gelegen, wenn ich mir ein Paar andere Schwiegersoehne suchen muesste!
    Ihr waret mir gleich so recht, und so ein Paar bekomme ich nicht wieder zusammen, wenn ich mir sie auch bestellen liesse.
    Adrast . Sie sich andre Schwiegersoehne suchen?—Was fuer ein Unglueck drohen Sie uns?
    Lisidor . Ihr wollt doch wohl nicht die Maedel heiraten, ohne sie zu lieben? Da bin ich auch euer Diener.
    Theophan . Ohne sie zu lieben?
    Adrast . Wer sagt das?
    Lisidor . Was habt ihr denn sonst gesagt?
    Fuenfter Auftritt
    54
    Der Freigeist
    Adrast . Ich bete Julianen an.
    Lisidor . Julianen?
    Theophan . Ich liebe Henrietten mehr, als mich selbst.
    Lisidor . Henrietten?—Uph! Wird mir doch auf einmal ganz wieder leichte.—Ist das der Knoten? Also ist es weiter nichts, als dass sich einer in des andern seine Liebste verliebt hat? Also waere der ganze Plunder mit einem Tausche gutzumachen?
    Theophan . Wie guetig sind Sie, Lisidor!
    Adrast . Sie erlauben uns also—
    Lisidor . Was will ich tun? Es ist doch immer besser, ihr tauscht vor der Hochzeit, als dass ihr nach der Hochzeit tauscht. Wenn es
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