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Der Freigeist

Der Freigeist

Titel: Der Freigeist
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Glueck: Sie haben diesen Grad erreicht.
    Theophan . Was soll das wieder?
    Adrast . Ich versprach Ihnen vorhin, die bewussten Wechsel zu bezahlen— (spoettisch) Sie werden es nicht uebelnehmen, es kann nunmehr nicht sein. Ich will Ihnen, anstatt der zerrissenen, andere Wechsel schreiben.
    Theophan (in eben dem Tone). Es ist wahr, ich habe sie in keiner andern Absicht zerrissen, als neue von Ihnen zu bekommen.—
    Adrast . Es mag Ihre Absicht gewesen sein, oder nicht: Sie sollen sie haben.—Wollten Sie aber nicht etwa gern erfahren, warum ich sie nunmehr nicht bezahlen kann?
    Theophan . Nun?
    Adrast . Weil ich die Buergschaften nicht liebe.
    Theophan . Die Buergschaften?
    Adrast . Ja; und weil ich Ihrer Rechten nichts geben mag, was ich aus Ihrer Linken nehmen muesste.
    Theophan (beiseite). Der Wechsler hat mir nicht reinen Mund gehalten!
    Adrast . Sie verstehen mich doch?
    Theophan . Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen.
    Dritter Auftritt
    47
    Der Freigeist
    Adrast . Ich gebe mir alle Muehe, Ihnen auf keine Weise verbunden zu sein: muss es mich also nicht verdriessen, dass Sie mich in den Verdacht bringen, als ob ich es gleichwohl zu sein Ursache haette?
    Theophan . Ich erstaune ueber Ihre Geschicklichkeit, alles auf der schlimmsten Seite zu betrachten.
    Adrast . Und wie Sie gehoert haben, so bin ich ueber die Ihrige erstaunt, diese schlimme Seite so vortrefflich zu verbergen. Noch weiss ich selbst nicht eigentlich, was ich davon denken soll.
    Theophan . Weil Sie das Natuerlichste davon nicht denken wollen.
    Adrast . Dieses Natuerlichste, meinen Sie vielleicht, waere das, wenn ich daechte, dass Sie diesen Schritt aus Grossmut, aus Vorsorge fuer meinen guten Namen getan haetten? Allein, mit Erlaubnis, hier waere es gleich das Unnatuerlichste.
    Theophan . Sie haben doch wohl recht. Denn wie waere es immer moeglich, dass ein Mann von meinem Stande nur halb so menschliche Gesinnungen haben koennte?
    Adrast . Lassen Sie uns Ihren Stand einmal beiseite setzen.
    Theophan . Sollten Sie das wohl koennen?—
    Adrast . Gesetzt also, Sie waeren keiner von den Leuten, die, den Charakter der Froemmigkeit zu behaupten, ihre Leidenschaften so geheim, als moeglich, halten muessen; die anfangs aus Wohlstand heucheln lernen, und endlich die Heuchelei als eine zweite Natur beibehalten; die nach ihren Grundsaetzen verbunden sind, sich ehrlicher Leute, welche sie die Kinder der Welt nennen, zu entziehen, oder wenigstens aus keiner andern Absicht Umgang mit ihnen zu pflegen, als aus der niedertraechtigen Absicht, sie auf ihre Seite zu lenken; gesetzt, Sie waeren keiner von diesen: sind Sie nicht wenigstens ein Mensch, der Beleidigungen empfindet?
    Und auf einmal alles in allem zu sagen:— Sind Sie nicht ein Liebhaber, welcher Eifersucht fuehlen muss?
    Theophan . Es ist mir angenehm, dass Sie endlich auf diesen Punkt herauskommen.
    Adrast . Vermuten Sie aber nur nicht, dass ich mit der geringsten Maessigung davon sprechen werde.
    Theophan . So will ich es versuchen, desto mehrere dabei zu brauchen.
    Adrast . Sie lieben Julianen, und ich—ich—was suche ich lange noch Worte?—Ich hasse Sie wegen dieser Liebe, ob ich gleich kein Recht auf den geliebten Gegenstand habe; und Sie, der Sie ein Recht darauf haben, sollten mich, der ich Sie um dieses Recht beneide, nicht auch hassen?
    Theophan . Gewiss, ich sollte nicht.—Aber lassen Sie uns doch das Recht untersuchen, das Sie und ich auf Julianen haben.
    Adrast . Wenn dieses Recht auf die Staerke unserer Liebe ankaeme, so wuerde ich es Ihnen vielleicht noch streitig machen. Es ist Ihr Glueck, dass es auf die Einwilligung eines Vaters, und auf den Gehorsam einer Tochter ankoemmt.—
    Theophan . Hierauf will ich es durchaus nicht ankommen lassen. Die Liebe allein soll Richter sein. Aber merken Sie wohl, nicht bloss unsere, sondern vornehmlich die Liebe derjenigen, in deren Besitz Sie mich glauben. Wenn Sie mich ueberfuehren koennen, dass Sie von Julianen wiedergeliebet werden—
    Adrast . So wollen Sie mir vielleicht Ihre Ansprueche abtreten?
    Dritter Auftritt
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    Der Freigeist
    Theophan . So muss ich.
    Adrast . Wie hoehnisch Sie mit mir umgehen!—Sie sind Ihrer Sachen gewiss, und ueberzeugt, dass Sie bei dieser Rodomontade nichts aufs Spiel setzen.
    Theophan . Also koennen Sie mir es nicht sagen, ob Sie Juliane liebet?
    Adrast . Wenn ich es koennte, wuerde ich wohl unterlassen, Sie mit diesem Vorzuge zu peinigen?
    Theophan . Stille! Sie machen sich unmenschlicher, als Sie sind.—Nun
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