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Der Freigeist

Der Freigeist

Titel: Der Freigeist
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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haben Sie gesehen, dass ich mich nicht einlassen will. Freundschaft? Freundschaft unter uns?—Wissen Sie, muss ich fragen, was Freundschaft ist?
    Erster Aufzug
    2
    Der Freigeist
    Theophan . Ob ich es weiss?
    Adrast . Alle Fragen bestuerzen, deren wir nicht gewaertig sind. Gut, Sie wissen es. Aber meine Art zu denken, und die Ihrige, diese kennen Sie doch auch?
    Theophan . Ich verstehe Sie. Also sollen wir wohl Feinde sein?
    Adrast . Sie haben mich schoen verstanden! Feinde? Ist denn kein Mittel? Muss denn der Mensch eines von beiden, hassen, oder lieben? Gleichgueltig wollen wir einander bleiben. Und ich weiss, eigentlich wuenschen Sie dieses selbst. Lernen Sie wenigstens nur die Aufrichtigkeit von mir.
    Theophan . Ich bin bereit. Werden Sie mich aber diese Tugend in aller ihrer Lauterkeit lehren?
    Adrast . Erst fragen Sie sich selbst, ob sie Ihnen in aller ihrer Lauterkeit gefallen wuerde?
    Theophan . Gewiss. Und Ihnen zu zeigen, ob Ihr kuenftiger Schueler einige Faehigkeit dazu hat, wollen Sie mich wohl einen Versuch machen lassen?
    Adrast . Recht gern.
    Theophan . Wo nur mein Versuch nicht ein Meisterstueck wird. Hoeren Sie also, Adrast—Aber erlauben Sie mir, dass ich mit einer Schmeichelei gegen mich selbst anfange. Ich habe von jeher einigen Wert auf meine Freundschaft gelegt; ich bin vorsichtig, ich bin karg damit gewesen. Sie sind der erste, dem ich sie angeboten habe; und Sie sind der einzige, dem ich sie aufdringen will.—Umsonst sagt mir Ihr veraechtlicher Blick, dass es mir nicht gelingen solle. Gewiss, es soll mir gelingen. Ihr eigen Herz ist mir Buerge; Ihr eigen Herz, Adrast, welches unendlich besser ist, als es Ihr Witz, der sich in gewisse gross scheinende Meinungen verliebt hat, vielleicht wuenschet.
    Adrast . Ich hasse die Lobsprueche, Theophan, und besonders die, welche meinem Herzen auf Unkosten meines Verstandes gegeben werden. Ich weiss eigentlich nicht, was das fuer Schwachheiten sein muessen (Schwachheiten aber muessen es sein), derentwegen Ihnen mein Herz so wohlgefaellt; das aber weiss ich, dass ich nicht eher ruhen werde, als bis ich sie, durch Huelfe meines Verstandes, daraus verdrungen habe.
    Theophan . Ich habe die Probe meiner Aufrichtigkeit kaum angefangen, und Ihre Empfindlichkeit ist schon rege. Ich werde nicht weit kommen.
    Adrast . So weit als Sie wollen. Fahren Sie nur fort.
    Theophan . Wirklich?—Ihr Herz also ist das beste, das man finden kann. Es ist zu gut, Ihrem Geiste zu dienen, den das Neue, das Besondere geblendet hat, den ein Anschein von Gruendlichkeit zu glaenzenden Irrtuemern dahinreisst, und der, aus Begierde bemerkt zu werden, Sie mit aller Gewalt zu etwas machen will, was nur Feinde der Tugend, was nur Boesewichter sein sollten. Nennen Sie es, wie Sie wollen: Freidenker, starker Geist, Deist; ja, wenn Sie ehrwuerdige Benennungen missbrauchen wollen, nennen Sie es Philosoph: es ist ein Ungeheuer, es ist die Schande der Menschheit. Und Sie, Adrast, den die Natur zu einer Zierde derselben bestimmte, der nur seinen eignen Empfindungen folgen duerfte, um es zu sein; Sie, mit einer solchen Anlage zu allem, was edel und gross ist, Sie entehren sich vorsaetzlich. Sie stuerzen sich mit Bedacht aus Ihrer Hoehe herab, bei dem Poebel der Geister einen Ruhm zu erlangen, fuer den ich lieber aller Welt Schande waehlen wollte.
    Adrast . Sie vergessen sich, Theophan, und wenn ich Sie nicht unterbreche, so glauben Sie endlich gar, dass Sie sich an dem Platze befinden, auf welchem Ihresgleichen ganze Stunden ungestoert schwatzen duerfen.
    Erster Aufzug
    3
    Der Freigeist
    Theophan . Nein, Adrast, Sie unterbrechen keinen ueberlaestigen Prediger; besinnen Sie sich nur: Sie unterbrechen bloss einen Freund,—wider Ihren Willen nenne ich mich so,—der eine Probe seiner Freimuetigkeit ablegen sollte.
    Adrast . Und eine Probe seiner Schmeichelei abgeleget hat;—aber einer verdeckten Schmeichelei, einer Schmeichelei, die eine gewisse Bitterkeit annimmt, um destoweniger Schmeichelei zu scheinen.—Sie werden machen, dass ich Sie endlich auch verachte.—Wenn Sie die Freimuetigkeit kennten, so wuerden Sie mir alles unter die Augen gesagt haben, was Sie in Ihrem Herzen von mir denken. Ihr Mund wuerde mir keine gute Seite geliehen haben, die mir Ihre innere Ueberzeugung nicht zugestehet. Sie wuerden mich geradeweg einen Ruchlosen gescholten haben, der sich der Religion nur deswegen zu entziehen suche, damit er seinen Luesten desto sicherer nachhaengen koenne. Um sich pathetischer
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