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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau
Autoren: Laura Walden
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seine Aufwartung gemacht und dieser ihn hochkantig hinausgeworfen hatte.
    »Wir haben andere Pläne mit dir«, hatten Onkel Rasmus und seine Frau Margarete ihr wenig später ungerührt mitgeteilt. »Es kommt gar nicht in Frage, dass du so einen brotlosen Künstler nimmst!«
    Und dann saß plötzlich dieser grobschlächtige Kerl auf dem Sofa und blickte sie hoffnungsvoll an. Anna war wie erstarrt gewesen. Diese erste Begegnung mit Christian Peters lag inzwischen mehr als drei Jahre zurück. Nachdem Anna dem Heiratskandidaten die Hand gereicht hatte, war sie damals einfach aus dem Zimmer gerannt, aber die Tante hatte sie zurückgeholt und ihr befohlen, seinen Antrag anzunehmen. »Sonst geben wir dich in das Damenstift.«
    Das war eine schlimme Drohung, denn Anna kannte zwei alte Tanten, die dort lebten, und etwas Verknöcherteres als diese beiden schwarz gekleideten, frömmelnden Krähen war ihr nie zuvor begegnet. Anna hatte sich in ihrer Verzweiflung Bedenkzeit ausgebeten in der stillen Hoffnung, dass Frederik sie retten würde. Wochenlang hatte sie Abend für Abend in die Kissen geweint und gebetet, dass Frederik sie entführen möge. Ja, sie hatte sogar ein Köfferchen gepackt für den Fall, dass er sie eines Nachts abholen würde, aber der Klavierlehrer war niemals gekommen. Ja, sie wäre sogar zu ihm gegangen, doch sie kannte ja nicht einmal seine Adresse.
    Und nach einem Monat hatte der grobe Geselle wieder auf dem Sofa ihres Onkels gesessen. Anna sah alles vor ihrem inneren Auge ablaufen, als wäre es erst gestern gewesen: wie sie sich brav neben den Gehilfen ihres Onkels gesetzt und mit den Tränen gekämpft hatte. Sie fand ihn schrecklich. Seine ungelenken Bewegungen, sein verlegenes Lächeln, das gelbliche Zähne preisgab, seine ungeschickt formulierten Sätze. All das hatte sie abgestoßen.
    Ein erneutes Pfeifen riss Anna aus ihren Erinnerungen.
    Christian schien sich jetzt leise, ganz leise zu erheben: das Rascheln seiner Bettdecke, tapsende Schritte auf den Holzdielen. Eins, zwei, drei, bis zum Schemel. Aber was war das? Warum zog er seine Hosen an, wenn er doch nur seine Notdurft verrichten wollte? Und die Stiefel. Wieder Schritte; die Tür klappte. Die schweren Schritte seiner Stiefel auf der Stiege. Dann war alles ruhig.
    Vorsichtig öffnete Anna die Augen und setzte sich im Bett auf. Sie seufzte. Überall im Zimmer standen noch die Koffer, die sie mitgebracht hatte. Zum Auspacken war sie viel zu erschöpft gewesen. Und dann all das Neue, das sie hier erwartete! Am meisten schockierte sie, dass sie vorerst in einem Holzhaus leben sollte. Gut, man hatte sie in Hamburg mit dem kleinsten Zimmer der Villa abgespeist, aber gegen diese Hütte war es der reinste Palast gewesen. Und überall zwischen den eilig hochgezogenen Holzbehausungen führten sandige Wege hindurch, die der Regen in Schlamm verwandelt hatte. Die Kutsche war mehrmals stecken geblieben. Dazu der plötzliche Sommer. Als sie in Hamburg an Bord gegangen war, hatte Schnee gelegen.
    Erschrocken merkte Anna, wie ihr allein bei dem Gedanken an ihre Ankunft im Hafen von Otago wieder eine Träne über das Gesicht rollte. Hastig wischte sie die Spur ihres Kummers fort.
    »Hör auf zu heulen!«, hatte Christian gebrüllt, als sie beim Anblick der kargen Behausung in Tränen ausgebrochen war. »Stell dich nicht so an! Du hast keinen Grund dazu! Wir werden bald das prachtvollste Haus vor Ort haben. Ich habe schon mit dem Baumeister gesprochen.«
    Alles war so fremd. Nicht nur das Land, sondern auch ihr Mann. Er hatte sie noch nie zuvor angebrüllt. Bis auf die Tatsache, dass er ihr einmal wöchentlich große Schmerzen bereitete, hatte sie sich in den ersten beiden Ehejahren fast ein wenig an ihn gewöhnt. Wenn er auch grob wirkte, war er in seinem Wesen ihr gegenüber stets sanftmütig gewesen. Nur manchmal, da hatte er sie merkwürdig angesehen und lauernd gefragt: »Und, bist du endlich in anderen Umständen?« Nein, sie war in den beiden ersten Ehejahren zu ihrem eigenen Kummer nicht schwanger geworden. Ein Kind, ja, das war ihre große Sehnsucht. Obwohl er jedes Mal enttäuscht gewesen war, weil sie es verneinen musste, war er nie wirklich böse geworden. Im Gegenteil, er hatte sie sogar getröstet und ihr Mut gemacht. »Warte nur ab, eines Tages haben wir einen ganzen Stall voller Kinder!« Christian hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich mindestens sechs Nachkommen wünschte. Er war immer freundlich zu ihr gewesen, ja, mehr noch, er
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