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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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darin: uraltes, verborgenes Wissen, weitergereicht über Generationen weiser Frauen.
    Er gehörte zu den wenigen, die wussten, dass seine Frau nicht nur eine erfahrene Heilerin und Wehmutter war, sondern gelegentlich auch von Vorahnungen heimgesucht wurde, die man besser ernst nahm.
    Doch jetzt verriet nichts in ihren Zügen etwas von einer schrecklichen Vision.
    Was wohl heißt, dass es beim Burgvogt so schlimm nicht werden wird, dachte er mit neu erwachter Spottlust. Aber dafür sollte ich ihn nicht noch länger warten lassen.
    Marthe schien das Gleiche zu denken, denn ihr Blick richtete sich gerade auf den Gambeson, der auf einer der Stangen in der
     Kammer hing.
    »Lass mich dir helfen«, bot sie an und richtete sich auf. »Ist heute nicht das Treffen mit den Ratsherren?«
    »Bei allen Heiligen!«, stöhnte Lukas auf. »Das hätte ich fast vergessen.«
    Seinem Befehl unterstanden die Bogenschützen, die städtischen Wachen und alle sonstigen Kämpfer, die nicht dem Ritterstand angehörten. Auch weil er sich als einer der ersten Christiansdorfer und Vertrauter des Dorfgründers unter den Stadtbewohnern gut auskannte, rief ihn der Vogt oft hinzu, wenn Angelegenheiten mit dem Rat zu besprechen waren.
    Schon war er aus dem Bett, lehnte sich aus der Fensterluke und pfiff gellend auf zwei Fingern.
    »Peter soll mein Pferd satteln!«, rief er hinab, bekam eine kurze Bestätigung des Befehls und wandte sich grinsend wieder Marthe zu.
    »Irgendwelche Schreckensvisionen? Wird Heinrich mir den Kopf abreißen? Ein Dämon auf dem Weg zur Burg auflauern?«, fragte er mit gespielter Leichtigkeit.
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf, während sie ihm in den Gambeson half.
    »Ich bin sicher, diesen Tag überstehst du lebend«, antwortete sie ebenso leichthin, während er sein Wehrgehänge gürtete.
     
    Nachdem Lukas mit raschen Schritten die Treppe heruntergelaufen war, ließ sich Marthe auf die Bettkante sinken. Müde strich sie sich mit den Händen über die Augen, dann sah sie zum Fenster. Ihr war zumute, als senkten sich die grauen Wolken wie Blei auf ihre Schultern.
    Christian hätte die Düsternis verstanden, die sie erfüllte, denn auch er hatte finstere Zeiten durchleben müssen. Doch mit Lukas darüber zu sprechen, scheute sie sich. Er war leichtlebiger, manchmal schon fast leichtsinnig. Vielleicht würde er ihr nur mit einer spöttischen Bemerkung antworten.
    Man musste nicht über die Gabe des zweiten Gesichts verfügen oder den Wanderpredigern zugehört haben, um zu befürchten, dass Unheil nahte, schlechte Zeiten für alle, die einst treu zu Christian gestanden hatten. Es würde schwierig für sie werden, wenn der alte Markgraf starb, der nun schon fast siebzig Jahre zählte.
    Ein nicht mehr zu bezwingendes Gefühl sagte Marthe, dass diese schlechten Zeiten in greifbare Nähe rückten, mit jedem Tag mehr.

Auf der Freiberger Burg
    D as ist eine Unverschämtheit!«, tobte der Burgvogt. »Ich sollte euch alle mit Hunden vom Hof hetzen lassen!«
    Vogt Heinrich – stiernackig, kahl und in der ganzen Stadt für seine Unerbittlichkeit gefürchtet – war vom Stuhl aufgesprungen und blickte wutentbrannt auf die drei Ratsherren. Er hatte sie auf deren Bitte hin empfangen, weil sie ein schwieriges Anliegen vorbringen wollten. Wie sich nun herausstellte, bestand dieses schwierige Anliegen darin, einen Ritter der Notzucht zu beschuldigen.
    Die unverheiratete Tochter eines Häuers behauptete, dieser Mann habe ihr Gewalt angetan, als sie zwischen den Halden nach einer entlaufenen Ziege gesucht hatte.
    »Das Mädchen wagte es nicht, darüber zu reden, bis die Schwangerschaft offensichtlich war«, erklärte der aufsässigste unter den Ratsherren, ein Schmied namens Jonas, beherrscht. »Es ist natürlich zu spät, um Klage zu erheben. Aber vielleicht könnt Ihr dafür sorgen, dass ihr Vater ein Wergeld bekommt. Und mäßigend auf Eure Ritter einwirken. Es häufen sich Beschwerden über ein paar unschöne Zwischenfälle an den Brotbänken, und zwei Eurer Männer haben eine Bademagd grün und blau geschlagen.«
    Am liebsten wäre der Vogt dem dreisten Schwarzschmied für diese Worte an die Kehle gegangen. Noch lieber hätte er ihm mit einem einzigen Streich den Kopf von den Schultern geschlagen.
    Er konnte förmlich spüren, wie seine Galle überlief. Mühsam rang er nach Luft, während ihm das Blut in den müden Venen pochte. Wenn er sich nicht schnellstens beruhigte, traf ihn noch der Schlag. In Gedanken hörte er schon seine
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