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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling
Autoren: Jules Verne
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Smaragdnen Insel zu den Ausnahmen. Dieses Jahr schien der Frühling zeitig einsetzen und die Bäume zum knospen bringen zu wollen.
    Ein Dutzend Meilen trennt Tralee von dem Kirchspiele Silton. Wie oft hatte Findling diese Strecke im Wagen Mac Carthy’s zurückgelegt! Das letzte Mal war er hier freilich allein gewesen… auf dem Heimwege von Tralee nach der Farm… er hatte sich hinter einem beschneiten Busch versteckt, als die Polizei-und Gerichtsdienerabtheilung vorüber kam. Das trat ihm jetzt lebhaft vor die Angen. Der Weg selbst sah ja noch ganz so aus wie damals. Da und dort lag ein Gasthof daran und begrenzten ihn Brachfelder. Paddy ist ein Feind der Veränderung; in Irland bleibt ja alles im Gleichen, selbst das Elend!…
    Um zehn Uhr hielt der Wagen im Dorfe Silton. Es war die Stunde der Messe. Die Glocke ertönte. Da stand sie noch immer, die alte, bescheidne, windschiefe, englische Kirche, in der die Doppeltaufe Findlings und des Töchterchens Murdochs stattgefunden hatte. Er trat mit den andern hinein. Weder der Geistliche, noch seine Assistenten oder ein andrer Kirchenbesucher erkannte ihn wieder. Während der Messe fragten sich die Leute, wer die Familie sei, von der kein Mitglied dem andern ähnelte.
    Und während Findling seine Erinnerungen aus glücklicher und unglücklicher Zeit auffrischte, beteten Sissy, Grip und Bob dankbaren Herzens für den, dem sie so viel Lebensglück verdankten.
    Nach einem Frühstück im besten Gasthofe von Silton rollte der Jauntingcar nach der drei Meilen entfernten Farm von Kerwan weiter.
    Findling wurden die Augen feucht auf diesem Wege, den er des Sonntags so oft mit Martine und Kitty und auch mit der Großmutter, wenn diese es konnte, gegangen war. Welch traurigen Anblick bot das verlassene Land! Ueberall Ruinen… mit Gewalt hergestellte Ruinen, die den vertriebenen Insassen das letzte Obdach vereiteln sollten. Da und dort fanden sich Maueranschläge mit der Bekanntmachung, daß diese Farm, jene Hütte oder ein Feld zu verpachten oder zu verkaufen sei. Doch wer hätte hier kaufen oder pachten sollen, wo er sich nur das Unglück einhandeln konnte!
    Endlich, gegen eineinhalb Uhr, wurde die Farm von Kerwan sichtbar. Findlings Brust entrang sich ein Seufzer.
    »Hier stand sie!« murmelte er.
    Doch welch entsetzlicher Anblick bot sich hier jetzt! Die Hecken niedergerissen, die Thür eingerammt, die Wirthschaftsgebäude in Trümmern, der Hof furchtbar verwildert – kurz, ein Bild trostlosester Zerstörung. Seit fünf Jahren hatten Regen, Schnee, Wind und Sonne ihr Werk gethan. Wie traurig sahen die kahlen Wände der Zimmer aus, und erst das, wo Findling in der Nähe der Großmutter geschlafen hatte.
    »Ja, das ist Kerwan!« wiederholte er öfter, doch es sah aus, als wagte er gar nicht einzutreten.
    Bob, Grip und Sissy hielten sich schweigend hinter ihm. Nur Birk lief unruhig hin und her und schnüffelte am Boden hin… in ihm erwachten gewiß auch Erinnerungen an vergangene Zeiten….
    Plötzlich bleibt der Hund stehen und erhebt den Kopf, seine Augen leuchten und er wedelt mit dem Schweife.
    Vor dem Thore steht eine Gruppe von Menschen – vier Männer, zwei Frauen und ein kleines Mädchen, alle in ärmlicher Kleidung. Der älteste tritt heraus und nähert sich Grip, der seinem Alter nach die Hauptperson der Fremden zu sein scheint.
    »Wir sind hierher, beginnt er, zu einem Zusammentreffen bestellt worden. Ohne Zweifel… waren Sie es…
    – Ich? fällt Grip ein, der den Mann gar nicht kennt und ihn verwundert anstarrt.
    – Ja. Als wir in Queenstown ans Land kamen, wurde uns eine Summe von hundert Pfund von der Rhederei ausgehändigt, die den Auftrag hatte, uns nach Tralee zu befördern….«
    In diesem Augenblick schlug Birk mit lautem Freudengebell an und stürmte unter tausend Freundschaftsbezeugungen auf die ältere der Frauen zu.
    »Ach, ruft diese, das ist ja Birk… unser Hund Birk! Ich erkenne ihn wieder….
    – Und mich erkennen Sie nicht, meine liebste Mutter Martine, sagt Findling, mich erkennen Sie nicht mehr?
    – Er!… Ach, unser Kind!«
    Die Feder vermag die Scene nicht zu schildern, die sich nun abspielte. Martin, Murdock, Pat und Sim pressen Findling in ihre Arme und er bedeckt Martine und Kitty mit heißen Küssen. Dann hebt er das kleine Mädchen in die Höhe… er verzehrt sie fast mit seinen Küssen und stellt sie Bob, Sissy und Grip vor mit den Worten:
    »Meine Jenny!… Mein Töchterchen!«
    Nachher setzen sich alle auf die umherliegenden
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