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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Autoren: Michaela Huber
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Wüste führen. Eine innere Wüste, die wir Depression nennen, Angst, Einsamkeit, Aufgeben, wütende Verweigerung ...
    Andererseits: Sich dem Schmerz der Begegnung mit der Gefahr erneuter Verletzung auszusetzen, kann eine/n weiterbringen. Kann weicher machen, offener, lebendiger, kann persönliche Entwicklung bedeuten. Das habe ich natürlich selbst erfahren, sonst würde ich meinen Beruf nicht mit solcher Freude ausüben, auch noch Jahrzehnte, nachdem ich ihn begonnen habe. Ja, ich kann gut nachvollziehen, wie schwer es ist, nicht nur freundlich-zugewandt zu sein, das können viele, es kann reine Äußerlichkeit sein. Sondern sich wirklich zu öffnen, mit dem unkalkulierbaren Risiko, sich zwischenmenschlichen Situationen auszusetzen, die man nicht hundertprozentig, manchmal nicht einmal zur Hälfte kontrollieren kann. Es wird für mich und die meisten Menschen nie einfach sein – wir alle möchten am liebsten jederzeit Kontrolle über Situationen haben und behalten –, und doch ist es das, was das Abenteuer der Begegnung und das Abenteuer Psychotherapie ausmacht: Um selbst weiterzukommen, gilt es, Risiken einzugehen; das Bisherige ein Stück loszulassen, um Neues zuzulassen.
    1.1 Warum Alleinsein wichtig sein kann
    Als Gegenstück zur Begegnung sind der Rückzug, das Alleinsein und die bewusst gefühlte Einsamkeit wichtig. Auch wenn man in Beziehung ist und dort lernt, dass es Begegnung geben kann, Trost, Hilfe, freundliches Angenommensein. Den bitteren Krug voller Erkenntnisse und schmerzvoller Wahrheiten bis zur Neige zu trinken, das kann man erst einmal nur allein. Sich versteckter, tabuisierter, vermiedener, geleugneter, verschämter, schuldbewusster Emotionen klar zu werden, sie sich einzugestehen – das geht zuallererst nur für sich allein. Durch das Tal der Tränen zu wandern, einzubrechen und unten zu liegen und das Gefühl zu haben: „Ich bin zu schwach, um je wieder aufzustehen“, und es dann doch zu tun – das muss man selbst tief im eigenen Innern erleben. Bei all dem kann man begleitet werden, doch erleben und durch alles das Hindurchgehen muss man selbst. Der Mythos von der „Reise des Helden“, vieltausendfach erzählt, von Jesu „40 Tagen in der Wüste“ bis zu heutzutage bewusst gesuchten Outdoor-Abenteuern, in Tausenden von Geschichten der Weltliteratur, in zahllosen Liedern wird diese Reise besungen. Wenn man am anderen Ende der Reise wieder herauskommt, aus dem Tal der Tränen, der Wüste, der Einsamkeit, der Kargheit, der Dunkelheit, fühlt man sich wie gehäutet. Es wurde etwas abgestreift, es kommt etwas hervor. Noch fühlt man sich wie rohes Fleisch und jeder Windzug schmerzt, doch da ist etwas neu und anders. Etwas, das immer da war und jetzt hervorkommt, das zu einem gehört hat, immer, und jetzt mehr gelebt werden kann – an der frischen Luft.
    Die Rolle der anderen Menschen ist bei diesem Prozess: zu lassen und geduldig zu sein, zu ermutigen und herauszufordern, ohne je zu drängen oder zu zwingen. Auszuhalten, dass der oder die Suchende durch diesen Prozess geht, ohne ihm oder ihr etwas abnehmen zu können. Freundlich zu bleiben, ohne zunächst zu wissen, wer oder was einen da gegenüber gerade wütend anfunkelt. Das Fremd- und Anderssein zu ertragen. Und doch da zu sein und da zu bleiben. Sehr gute FreundInnen können das, sehr gute PartnerInnen können es und gute PsychotherapeutInnen sollten es können. Sie bestätigen: „Ja, das tut weh. Doch das schaffst du.“ Sie haben Mitgefühl: „Gerade ist es sehr schlimm, nicht wahr? Das tut mir leid für dich, dass du das jetzt erleben musst.“ Und sie hören nie auf zu ermutigen: „Da geschieht jetzt offenbar etwas Wichtiges. Vertrau auf deine Intuition, wohin auch immer sie dich führt.“ Meine Erfahrung ist: Wann immer ich die Geduld und die Sorgfalt hatte, mit jemand genau hinzuschauen, ohne etwas von mir aus drängend, abkürzend, wegmachend aktiv verändern zu wollen – dann konnte etwas im Innern dem kleinen oder großen Menschen, mit der oder dem ich beruflich oder privat zusammen war, „wie von selbst“ wachsen, sich sortieren, sich ausrichten, groß und stark werden. Es gibt dabei nur wenige Regeln einzuhalten. Die wichtigste: Keine Gewalt, weder nach innen noch nach außen, im Zusammenhang mit dem, was wir hier tun. Und schon das kann unendlich schwer einzuhalten sein.
    1.2 Allein gelassen
    Immer habe ich gut verstanden – auch aus meinem eigenen inneren Erleben –, dass es die Tendenz in einem Menschen geben
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