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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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life‹ auch der Versuch, sich von bestimmten überkommenen Mustern der eigenen Kultur wie z.B. der Turnbewegung mit ihrer Neigung zum Kollektivismus zu distanzieren.« Juden und Protestanten waren laut Eisenberg unter den ersten deutschen Balltretern auffällig stark vertreten.
    Wie dieses Buch noch zeigen wird, wurde diese bürgerlich-modernistische Phase besonders eindrucksvoll vom FC Bayern repräsentiert.
    Fußball war zunächst ein vorwiegend städtisches Spiel – anders als später Handball, das sich als Sportspiel der Turnbewegung und als deren Antwort auf den Fußball auf dem Land ausbreitete, da der Spielplatz in den urbanen Zentren bereits von den Kickern besetzt war. In Städten wie Berlin, Frankfurt oder München lebten besonders viele Juden. Und viele von ihnen zählten sich dort zum »modernen Bürgertum«, das liberal ausgerichtet war und sogenannten englischen »Modetorheiten« – wie »english sports« – frönte. Wobei »english« oder »british« mit »modern« zu übersetzen war. Detlev Claussen: »Die idealen Bürger, die das Bürgertum auch mit seinen Idealen ernst genommen haben, waren Juden. Und das hat man den Juden wiederum übel genommen. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das war ja für das Ghetto eine konkrete Utopie! (…) Sehr viele europäische Juden waren im 19. Jahrhundert anglophil. Diese anglophile Geschichte gehört eng zur Geschichte des Judentums und der Emanzipation des Judentums in Europa. Dazu eben die ›english sports‹. (…) Die Juden, die ihre Kinder ausbilden wollten, haben sie nach England geschickt. Auf englische Internate oder englisch geführte Internate, die es z.T. auch in der Schweiz gab. Weil da wiederum so viele Kinder der Bourgeoisie aus ganz verschiedenen Ländern auf die Schulen kamen, haben sie schnell den Sport entdeckt.« Exemplarisch für die anglophile Einstellung deutsch-jüdischer Fußballpioniere sind John Bloch sowie die an der Vorgeschichte des FC Bayern beteiligten Walther Bensemann und Gustav Randolph »Gus« Manning.
    Jüdische Pioniere:
    John Bloch und Walther Bensemann
    In den 1880er Jahren stand der in Birmingham geborene Bloch in Berlin dem English Football Club und dem Berliner Cricket Club 1883 vor, Klubs, in denen Berlins Engländer ihren Sport praktizierten. 1891 war Bloch die treibende Kraft hinter der Gründung des Deutschen Fußball- und Cricket Bundes (DfuCB), dem wohl wichtigsten Vorläufer des DFB. Bloch wurde auch Vorsitzender dieses dezidiert »anglophilen« Verbands.
    Seit 1891 war John Bloch zugleich Herausgeber und Chefredakteur der ambitionierten Wochenzeitschrift »Spiel und Sport. Organ zur Förderung der Interessen aller athletischen Sports«. Der Journalist Malte Oberschelp weiß außerdem zu berichten, dass Bloch auch zu den Pionieren der Leichtathletik gehörte. 1893 konstituierte Blochs Berliner Cricket Club 1883 mit dem Hamburger SC Germania und drei weiteren Vereinen den Deutschen Athletischen Amateur Verband. Vorsitzender wurde der Jude Arthur Levy vom Hamburger SC, Bloch gehörte dem Vorstand als Beisitzer an.
    Vor der Gründung des DfuCB war Bloch führendes Mitglied im 1890 gegründeten und 1892 wieder aufgelösten Bund Deutscher Fußballspieler (BDF) gewesen, wo es im Januar 1891 zu einem heftigen Disput zwischen einer »Pro-England-Fraktion« und einer konservativ-nationalistischen Gruppe um den Künstler Georg Leux gekommen war. Leux propagierte eine »Verdeutschung« des Spiels und schreckte auch nicht davor zurück, eine Meisterschaft nach »deutschen Regeln« einzuführen. An die Stelle von Toren sollten Punkte treten. Ein Einwurf war mit drei Punkten zu honorieren, ein Eckstoß mit fünf, für ein Tor sollte es 20 Punkte geben. Leux erhoffte sich von seiner Idee eine größere gesellschaftliche Akzeptanz des »englischen« Spiels.
    Im November 1893 verlor der von Georg Leux gegründete BFC Frankfurt, Berlins ältester Fußballverein, ein DfuCB-Meisterschaftsspiel gegen Blochs English FC mit 1:5. Die Unterlegenen suchten die Schuld beim Schiedsrichter. Ein Protest des BFC wurde vom DfuCB-Vorstand um Bloch zurückgewiesen, woraufhin sich der BFC aus der Meisterschaft zurückzog. Als der Verband nun ein Ausschlussverfahren gegen den BFC einleitete, schürte dieser eine antisemitische Stimmung gegen den English FC und Bloch. Darauf deutet ein Schreiben hin, in dem sich sieben Klubs mit dem Verband solidarisierten: »Da (dem BFC, d. A.) Frankfurt die durchaus correcte Handlungsweise des Vorstands
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