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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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nicht die geringste oder vielmehr eine nicht genügende Handhabe bot, so mussten Nationalität und Religion einiger Bundesmitglieder den Grund zur Verhetzung bieten.« John Bloch zog aus der antienglischen und antisemitischen Hetze seine Konsequenzen und verzichtete auf eine erneute Kandidatur zum Vorsitzenden. Der English FC erklärte seinen Austritt aus dem DfuCB.
    »In der Figur John Bloch«, so resümiert Malte Oberschelp, spiegele sich somit »nicht nur die enorme Bedeutung der deutschen und englischen Juden in der Frühzeit des deutschen Sports, sondern auch das antienglische und antisemitische Ressentiment, das ihnen entgegengebracht wurde«.
    Ähnliches lässt sich über Walther Bensemann sagen. Bensemann, der beim Vorläufer des FC Bayern, der 1897 gegründeten Fußballabteilung des Münchner Männer-Turn-Vereins von 1879 (MTV 1879) mit von der Partie war, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in Berlin, Vater Berthold war Bankier. Wie Bensemann-Biograph Bernd-M. Beyer schreibt, wuchs der Sohn »in einer weltoffenen, intellektuell wie kulturell anregenden Atmosphäre auf; seine Mutter soll Musikabende im heimischen Salon organisiert haben, und die verwandtschaftlichen Kontakte der Familie reichten bis nach Schottland«.
    Walther Bensemann wird im Alter von zehn Jahren auf eine englische Schule in Montreux geschickt, wo ihn die englischen Mitschüler mit dem Spiel infizieren. Am Genfer See entwickelt Bensemann »eine Begeisterung für alles, was er für typisch englisch hielt: das Ideal des Fair Play, die vorurteilsfreie Offenheit eines Weltbürgers, die Selbstdisziplin und die Philanthropie des Gentleman, die Erziehung zum ›sportsman‹.« (Beyer)
    1887 gründet Bensemann gemeinsam mit englischen Schülern seinen ersten Verein, den Montreux Football Club, als dessen »Sekretär« sich der 14-Jährige stolz bezeichnet. Zurück in Deutschland, gibt sich der angehende Student anglophil. In Karlsruhe, wo er nun besonders intensiv für den Fußball wirkt, firmiert er ob seines sportlichen Outfits als »der Engländer in Narrentracht«. 1899 organisiert Bensemann – im heftigen Widerstreit mit den meisten der damaligen Regionalverbände – die »Urländerspiele« gegen ein englisches Auswahlteam, nachdem er die Football Association zur ersten kontinentalen Tournee ihrer Geschichte überredet hatte. Zwei Jahre später geht er nach Großbritannien, wo er fortan als Präfekt und Lehrer für neue Sprachen an zahlreichen Schulen arbeitet, so u.a. ab 1910 an der Birkenhead School in Liverpool. Möglicherweise hätte er sich dauerhaft in England niedergelassen, wäre nicht der Erste Weltkrieg dazwischengekommen. Nach dem Krieg gründet er in Konstanz jene heute noch existierende Fußballzeitung, der er zum Entsetzen seiner Mitstreiter einen bewusst englisch klingenden Namen verpasst: den »Kicker«.
    Auch Gustav Randolph »Gus« Manning, ein weiterer deutscher Fußballpionier, der an der Gründung des FC Bayern mitgestrickt hat, war für sein anglophiles Gebaren bekannt.
    Leistungsgesellschaft und Antisemitismus
    Bei vielen europäischen Juden traf man seinerzeit auf einen ausgeprägten Sinn für Neues und Modernes sowie eine größere Bereitschaft zur Anerkennung des Leistungsprinzips und des Wettbewerbs – Dinge, die auch im Sport eine zentrale Rolle spielten. Detlev Claussen: »Das Leistungsprinzip gehört zum Fußball genauso hinzu wie der Spaß am Spiel.«
    Jüdische (und protestantische) Milieus waren häufig aufgeschlossener gegenüber den Anforderungen und Herausforderungen der modernen kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Und anders als das »deutsche Turnen« war Fußball das Spiel dieser Gesellschaft. Der Historiker Peter Tauber: »Der Sport in Deutschland verstärkte Werte und Normen der modernen Industriegesellschaft. Das Wettkampfprinzip, die Konkurrenz und der Leistungsgedanke waren ebenso für den Sport als auch für die Wirtschaft, Politik und die Wissenschaft kennzeichnend. (…) Das zeitgleiche Auftreten des modernen Industriezeitalters und des Sports war kein Zufall. Das Empfinden der Menschen, sich im Lebenskampf messen zu müssen, sich in ein feststehendes Ordnungssystem einzufügen und in Konkurrenz zueinander zu stehen, entsprach den Grundprinzipien des Sports wie der Industriegesellschaft, und somit gab es eine Parallelität zwischen dem wirklichen Leben und der Welt des Sports.«
    Die Idee des englischen Sports und seines offenen Wettbewerbs stand gewissermaßen diametral zum
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