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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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Wächterrats, der die Aufgabe hat, die vom Parlament verabschiedeten Gesetze und die als Abgeordnete Kandidierenden auf ihre Übereinstimmung mit dem Islam hin zu überprüfen. Es handelt sich dabei um ein Vorrecht, das dem Inhaber dieses Amtes erlaubt, jederzeit eine Handlung des Parlaments zu blockieren, was der Möglicheit einer indirekten Kontrolle
gleichkommt. Derartige klerikale Bindungen haben Ahmadinedschad in das Umfeld des Revolutionsführers Ali Khamenei gebracht und dort gehalten. Aber das allein erklärt seinen Aufstieg nicht.
Das Gewicht der Pasdaran
    Den zweiten Pfeiler, auf dem Ahmadinedschads Erfolg fußt, bilden die Pasdaran, denen er 1985 beitrat. Er nahm zunächst an Militäroperationen im irakischen Kurdistan teil, zog sich dann aus der vordersten Front zurück und wurde verantwortlich für die Logistik. Mit Sicherheit hatte er enge Verbindungen zu den Geheimdiensten, auch wenn eine Beteiligung an der Ermordung kurdischer Oppositioneller in Europa nicht nachweisbar ist (dies ist nicht der einzige Punkt, an dem sich eine Parallele zu Putin aufdrängt).
    Die Generation der Veteranen aus dem Krieg gegen den Irak besetzt heute die Schlüsselpositionen, diejenigen hingegen, die sich unter dem Schah-Regime politisch radikalisierten, werden langsam alt und durchlaufen einen Wandel, sie werden häufig zu Pragmatikern oder gar Liberalen - wie etwa Akbar Gandji, einem der Drahtzieher der Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft 1979. Die klerikalen Anführer der Konservativen sind seit Beginn der Revolution in ihren Ämtern; da jedoch nirgendwo neue revolutionäre Mullahs in Sicht sind, wird ihre Nachfolge wohl durch Laien geregelt
werden. Die Veteranen haben die Pasdaran, die Bassidschi und die Geheimdienste »fest im Griff«. Eine ihrer Galionsfiguren ist Ali Laridschani, der den nationalen Sicherheitsrat leitet und für die Verhandlungen über das Atomprogramm zuständig ist. Laridschani ist ein ehemaliger Revolutionswächter, genau wie sein Bruder Mohammed Dschawad, Direktor des Instituts für Theoretische Physik und Mathematik, oder auch Mojtaba Hascheni Samareh, Kabinettschef von Ahmadinedschad. Allerdings hat es den Anschein, dass Ali Laridschani zu Ahmadinedschad auf Distanz gegangen ist und er neuerdings für Verhandlungen mit dem Westen plädiert.
    Zahlreiche Angehörige dieser Generation kennen die Welt außerhalb des Iran gar nicht. Sie betrachten ihr Land als eine von Amerika kulturell und militärisch belagerte Festung und gehen davon aus, dass Amerika das islamische Regime vernichten will. Ihr Handeln ist zuweilen mit der chinesischen Kulturrevolution verglichen worden: eine zweite revolutionäre Welle, die sich zwanzig Jahre nach der ersten Revolution mit einem Mal ereignet. Eine weitere Gemeinsamkeit zu China liegt im Appell des Revolutionsführers an die »Jungen«, auf dass sie ihm helfen, sowohl seine Rivalen von der alten Garde, wie zum Beispiel Rafsandschani, als auch die Reformer auszuschalten.

Fehlende Homogenität
    Auch bei den eben vorgestellten Konstellationen handelt es sich wieder um Netzwerke und nicht um eine Partei: Die »alten Kämpfer« bilden keine homogene Gruppe. Ihre Generation kontrolliert das Parlament seit den Wahlen im Jahr 2004. Die Abgeordneten haben wenig Erfahrung, fast ein Drittel kommt aus den Reihen der Pasdaran, und bisher sind sie weder durch ihre Kompetenzen noch durch besonderes politisches Geschick aufgefallen. Sie agieren zwar genauso demagogisch wie Mahmud Ahmadinedschad (keine Freigabe ausländischer Investitionen; Misstrauen gegenüber Privatisierungen, weil die Wirtschaft in der Hand des Staates und damit des Volkes bleiben müsse; Ablehnung des neuen Bürgertums), bieten dem Präsidenten aber trotzdem regelmäßig die Stirn: Zum Beispiel haben sie mehrere Kandidaten abgelehnt, die er für den Posten des Erdölministers vorgeschlagen hat, zudem haben sie seinen Haushaltsentwurf zurückgewiesen und die Verkürzung seiner Amtszeit beschlossen.
    Das gehört zu den Paradoxien des Iran: Die Verfassung wird ernst genommen, und jeder Arm der Macht verteidigt eisern seine Rechte. Die Abgeordneten vom Land und vor allem die aus den mittelgroßen Städten, die einen starken Bevölkerungszuwachs erleben, während die Hauptstadt stagniert, sehen den Zentralismus und die politische Hegemonie Teherans nicht gern. Der neue Bürgermeister Teherans, Mohammed Bagher Ghalibaf, Jahrgang 1961 und General der Pasdaran - und
darum ebenfalls ein Veteran aus dem Krieg
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