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Der falsche Graf

Der falsche Graf

Titel: Der falsche Graf
Autoren: Edna Schuchardt
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nicht gelesen."
    "Ich würde auch gerne mal Urlaub machen." Das meinte Klaus im Ernst. Er hatte zwischen seinen Einsätzen zwar jede Menge Leerlauf, aber den nutzte er, um seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu trainieren.
    "Sind Sie beruflich so angespannt?"
    "Ja, leider." Das Bonbon klebte an seinem hintersten Backenzahn. Klaus versuchte, es mit der Zungenspitze abzupolken, aber es saß fest. "Jetzt bin ich gerade auf dem Weg nach Amsterdam zu einem wichtigen Geschäftsabschluss. Ich bin dauernd auf Reisen."
    "Darf ich erfahren, was Sie machen?"
    "Ich bin Verkaufsleiter in einem großen Unternehmen." Das war Klaus-Peters Standardantwort auf diese Frage. "Computergesteuerte Anlagen, Sie verstehen?"
    "Nein", lachte Conny. "Es klingt ziemlich technisch und trocken."
    "Ist es auch." Klaus war zufrieden. Die meisten Frauen stellten danach keinen weiteren Fragen. "Und Sie, was tun Sie beruflich?"
    "Ich entwerfe Kleider und verkaufe sie." Conny betätigte den Blinker. "So, wir sind gleich da. Ich setze Sie am besten vor dem Abflugterminal ab. Ist das okay?"
    "Oh, das ist wunderbar." Erleichtert sah Klaus auf seine Uhr. Es war Viertel nach acht. Er hatte noch ausreichend Zeit. "Dann wünsche ich Ihnen, dass Sie eine wundervolle Zeit erleben", meinte er galant.
    "Danke." Conny griff in die Ablage und bot ihm noch ein zweites Bonbon an, was Klaus-Peter jedoch dankend ablehnte. Das erste klebte ihm noch zwischen den Zähnen. Auf dem Flug nach Amsterdam würde er wohl damit beschäftigt sein, sich mit der Zunge unauffällig die klebrigen Klümpchen aus den Zahnzwischenräumen zu popeln.
    Vor ihnen tauchten die langgestreckten Flughafengebäude und die imposante Glaskonstruktion des ICE-Bahnhofs auf, die das Bild beherrschte. Paula verließ die Autobahn, nahm den Zubringer "Abflug/Departure" und stoppte wenige Minuten später ihren Wagen direkt vor der Abfertigungshalle. Klaus-Peter sprang heraus, beugte sich aber noch einmal hinein, um seine Tasche an sich zu nehmen, die auf dem Rücksitz lag. Er spürte das Gewicht des Medaillons, als es aus gegen den Stoff des Hemdes fiel. Das wütende Hupen eines Taxis trieb ihn zur Eile an.
    "Vielen, vielen Dank!", rief er Conny zu.
    "Guten Flug!", rief sie zurück. Klaus warf die Tür zu und ging auf den Bürgersteig, worauf Conny das Gaspedal durchtrat, wobei sie dem fluchenden und indessen dauerhupenden Taxifahrer noch schnell den Vogel zeigte. Ihr quietschgelbes Cabrio schoss erschrocken davon. Klaus-Peter winkte noch ein bisschen hinterher, weil er das Gefühl hatte, dass es sich gut machte, dann betrat er das weitläufige Abflugterminal.
    Conny hatte Recht, er hatte noch ausreichend Zeit um einzuchecken. Gemächlich spazierte er an den Schalter der Lufthansa, legte sein Ticket vor und ließ sich die Bordkarte geben. Während er zum Abflug-Gate ging, wanderte seine Hand prüfend über die Brust. Eiseskälte durchflutete ihn als seine Finger ins Leere griffen. Dort, wo das Medaillon liegen sollte, spürte er nur den Stoff seines teuren Hemdes und darunter die muskulöse Festigkeit seiner Brust.
    Er blieb stehen, fühlte, fasste, tastete, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte zu den Waschräumen. Entrüstete, verwunderte aber auch böse Blicke folgten ihm als er auf seinem hektischen Lauf wildfremde Leute anrempelte, über herumstehende Gepäckstücke sprang und rücksichtslos einen Kinderwagen aus dem Weg stieß. In der Kabine riss er das Hemd auf, ließ die Hosen herunter, zog Strümpfe und Schuhe aus, stülpte alles um, durchsuchte sämtliche Taschen, schüttelte sogar zuletzt alle Kleidungsstücke gründlich aus, aber das Ergebnis blieb dasselbe: Das Sissi-Medaillon war weg.

6. Kapitel
    Die Hauptstraße durch Füssen war hoffnungslos überlastet. Stoßstange an Stoßstange quälten sich die Autos vom Stadteingang zum Stadtausgang. Aber dann verteilte sich der Verkehr auf die verschiedenen Ausfallstraßen und Conny konnte wieder Gas geben. Sie hatte das Dach zurückgeklappt. Eine Hand entspannt am Lenkrad, die andere auf dem Rahmen, fuhr sie den Vorwegweisern nach, die sie zum Schloss Neuschwanstein und dem Forggensee leiteten. Ein großes Reklameschild wies auf das Musical "Sissy" hin, das am Forggensee aufgeführt wurde. Die Hauptattraktion war die Bühne, die man direkt ins Wasser gebaut hatte. Vielleicht schaue ich mir das mal an, überlegte Conny, während sie gemütlich dahintuckerte. Neben ihr floss der Lech. Von seinem grünen Wasser hatte Conny schon gehört.
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