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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund
Autoren: Nicci French
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Ordnung?«
    Ich holte tief Luft. Nein, für mich war das nicht in Ordnung.
    »Du hast es mit siebzehn geschrieben«, bemerkte er.
    »Ich finde es schön, mir vorzustellen, wie du mit siebzehn warst.«
    Als ich Brendan ansah, schien er bereits in die Ferne zu rücken. Er stand auf dem Bahnsteig, während ich in dem Zug saß, der gerade losfuhr und ihn für immer hinter sich lassen würde. Ich überlegte, wie ich es ausdrücken sollte, damit es so klar und endgültig wie möglich klang. Man kann sagen: »Ich glaube, das mit uns funktioniert nicht mehr«, als wäre die Beziehung eine Maschine, die nicht mehr richtig läuft, weil ein wichtiges Teil verloren gegangen ist. Oder:

    »Ich glaube, es hat keinen Sinn«, als wäre man gemeinsam unterwegs zu einem bestimmten Ziel und würde plötzlich feststellen, dass der vor einem liegende Weg sich gabelt oder in Felsen und Dornen endet. Man kann auch sagen: »Ich will dich nicht mehr sehen«, womit man natürlich nicht nur sehen, sondern auch berühren, halten, spüren und lieben meint. Und wenn der Betreffende dann fragt, warum – »Warum ist es vorbei?«
    »Was habe ich falsch gemacht?« –, dann sagt man natürlich nicht zu ihm: »Du gehst mir auf die Nerven«, »Ich kann dein Lachen nicht mehr ertragen«, »Mir gefällt ein anderer«. Nein, natürlich sagt man: »Du hast nichts falsch gemacht. Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.« Diese Dinge lernen wir alle irgendwann.
    Ehe ich selbst so richtig wusste, was ich tat, sprach ich die Worte aus: »Ich glaube, wir lassen es besser sein.«
    Einen Moment lang starrte er mich mit ausdrucksloser Miene an, dann trat er einen Schritt auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Miranda.«
    »Tut mir Leid, Brendan.« Ich wollte noch etwas hinzufügen, überlegte es mir dann aber anders.
    Er hatte noch immer die Hand auf meiner Schulter.
    »Du bist wahrscheinlich total erschöpft«, sagte er. »Wie wär’s, wenn du erst mal ein Bad nimmst und dir saubere Sachen anziehst?«
    Ich trat einen Schritt zurück.
    »Brendan, ich meine es ernst.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Bitte?«
    »Kriegst du deine Periode?«
    »Brendan …«
    »Es müsste in etwa so weit sein, oder?«

    »Ich spiele keine Spielchen.«
    »Miranda.« Seine Stimme hatte einen beschwörenden Ton, als wäre ich ein verängstigtes Pferd, dem er sich mit einem Stück Zucker auf der flachen Hand näherte. »Du kannst es doch nicht einfach so beenden. Dafür waren wir viel zu glücklich. Denk an all unsere wundervollen Tage und Nächte.«
    »Acht«, sagte ich.
    »Was?«
    »Achtmal haben wir uns gesehen. Oder waren es bloß siebenmal?«
    »Jedes Mal war irgendwie besonders.«
    Ich verkniff mir die Antwort: für mich nicht, auch wenn das die Wahrheit war. Man kann dem anderen nicht sagen, dass es einem nicht viel bedeutet hat. Dass es nur eine Episode war, eine von den Geschichten, die sich eben so ergaben. Stattdessen zuckte ich nur mit den Achseln. Ich wollte nicht mit ihm darüber diskutieren. Ich wollte, dass er ging.
    »Wir sind heute mit ein paar von meinen Kumpels auf einen Drink verabredet. Ich habe ihnen gesagt, dass du mitkommst.«
    »Was?«
    »In einer halben Stunde.«
    Ich starrte ihn an.
    »Bloß auf einen schnellen Drink.«
    »Du willst wirklich, dass wir dahin gehen und so tun, als wären wir noch zusammen?«
    »Wir müssen dem Ganzen Zeit lassen«, antwortete er.
    Das klang so absurd – wie die heuchlerischen Worte eines Eheberaters, adressiert an ein viele Jahre verheiratetes Paar mit Kindern und einer Hypothek –, dass ich gegen meinen Willen lachen musste. Sofort kam ich mir sehr grausam vor und riss mich am Riemen. Brendan brachte ein verkrampftes Lächeln zustande, das mehr von einer Grimasse hatte – gespannte Lippen über fest zusammengebissenen Zähnen.
    »Du kannst da noch lachen«, stieß er schließlich hervor.
    »Du kannst mir das antun und trotzdem noch lachen.«
    »Tut mir Leid.« Meine Stimme klang noch immer ein bisschen zittrig. »Ich habe bloß aus Nervosität gelacht.«
    »Hast du deine Schwester auch so behandelt?«
    »Meine Schwester?« Die Luft um mich herum schien ein paar Grad abzukühlen.
    »Ja. Kerry.« Er sagte den Namen sanft, fast nachdenklich.
    »Ich habe es in deinem Tagebuch gelesen. Ich weiß Bescheid.
    Hmm?«
    Ich ging zur Tür hinüber und riss sie auf.
    »Raus!«, sagte ich.
    »Miranda.«
    »Geh einfach.«
    Er zögerte noch einen Moment, dann ging er. Nachdem ich behutsam die Tür geschlossen hatte, um
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