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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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wird es dir ärger gehen als heute!“ Danach erkundigte ich mich, ob es auch auf den anderen Gütern so zuging. Als sich das bestätigte, beschloss ich, mich für die Bauern einzusetzen. Das war der Grund, warum ich in Ungnade fiel.”
    Struensee seufzte. Damals war der Keim gelegt worden, nicht nur Arzt zu werden, sondern auch der geheime Wunsch, in der Politik das, was sein Großvater nicht vermocht hatte, in Angriff zu nehmen. Schon in seiner Zeit als Armenarzt in Altona war er für eine Einschränkung der bäuerlichen Frondienste eingetreten. Nun hatte er im Jahr zuvor endlich ein entsprechendes Dekret erlassen. Ein erster Schritt zur endgültigen Aufhebung der Leibeigenschaft. Die adligen Großgrundbesitzer waren aufgebracht. Und es war noch längst nicht alles getan. Die Abschaffung des Kornzehnten musste noch gegen viele Widerstände durchgesetzt werden.
    Das Beispiel seines Großvaters hätte ihm klarmachen müssen, wie leicht man auf dem höfischen Parkett ausrutschen konnte. Der tägliche Umgang bei Hofe beruhte auf einem umfassenden System der Verstellung und gegenseitigen Täuschung. Als er nach Kopenhagen gekommen war, beherzigte er deshalb auch den Rat, nicht alles auszusprechen, was er dachte. Da er insgesamt nicht viel sprach, nannte man ihn den „Schweigsamen”. Doch obwohl er sich wohlweislich zurückhielt, wurde er immer mehr in das tägliche Hofgetriebe und damit auch in die Politik verstrickt. Er war ein scharfer Beobachter und durchschaute die Machtstrukturen. Er fand schnell heraus, dass der labile König nur ein Werkzeug in der Hand des intriganten Hofes war.

3. Der König
    Als er noch in Altona war, hatte ihm sein Freund Enevold Brandt, der am Hofe lebte und ihm häufig schrieb, über König Christian berichtet. Im jugendlichen Alter von 17 Jahren hatte er seine Herrschaft angetreten, auf die er niemals vorbereitet worden war. Er scheute Verantwortung und fürchtete seine Minister. Der brutale Erzieher Reventlow hatte ihn mit Absicht so erzogen, dass die Macht des Staatsrates unangetastet blieb, obwohl der König in Dänemark absolute Macht besaß. Graf Holck wurde als Hofmarschall damit beauftragt, den König bei Laune zu halten. Mit einigen Kumpanen pflegten die beiden die Kneipen und Freudenhäuser Kopenhagens zu besuchen.
    Sie prügelten sich nachts auf den Straßen und zerschlugen Fenster und Laternen. Holck vertrug beträchtliche Mengen von Bier und Branntwein und der König wollte es ihm gleichtun. Doch Christian war den nächtlichen Ausschweifungen nicht gewachsen. Er erschien am Morgen nach solchen Eskapaden blass, zittrig und schlecht gelaunt. Er vertraute dem Grafen auch an, dass ihn Albträume heimsuchten. Er wagte kaum, zu Bett zu gehen und einzuschlafen. Eine Kerze musste neben seinem Bett brennen und sein Kammerdiener, der im Vorzimmer schlief, hatte den Befehl, ihn sofort zu wecken, wenn er ihn stöhnen hörte oder sich im Bett unruhig hin und her wälzte. Niemand kannte den Inhalt der Träume, doch einmal versuchte Christian, sich nach dem Aufwachen den Schädel an der Marmorplatte des Kamins einzurennen.
    Holck hatte bemerkt, dass sich der König gerne an Qualen und Schmerzen ergötzte. Er führte ihn deshalb in die Folterkammern von Kopenhagen. Hier hatte er hinreichend Gelegenheit, menschliche Leiden zu beobachten und die Schreie der Unglücklichen zu hören, denen die Daumenschrauben angesetzt wurden, um sie zu einem Geständnis ihrer Übeltaten zu zwingen. Wenn Holck gedacht hatte, durch diese Art der Abhärtung die Albträume zu beseitigen, so sah er sich bald darin getäuscht. Sie schienen sogar an Gewalt und Furchtbarkeit zuzunehmen und schüttelten, krümmten und zerrten Christians Körper, als wäre er selbst des Nachts eines der Opfer der Tortur und würde mit glühenden Zangen zerrissen. Daraufhin änderte Holck seine Taktik und führte dem König eine Maitresse zu, eine junge Dame, die man allgemein die „Stiefeletten-Katrine“ nannte.
    Sie war keine einfache gewerbsmäßige Hure, sondern eine Dame von Welt, die zuletzt die Geliebte des englischen Gesandten gewesen war. Sie hatte schwarze Haare und dunkle Augen, war schlank und liebte frei fallende Röcke, wie sie die Damen des Adels zu Pferde trugen.
    „Noch eine Tasse Tee?“, fragte Mylady den König mit maliziösem Lächeln. Christian trank gehorsam und schaute ihr in die Augen. Er saß an der Kante des Sessels und fühlte sich nicht besonders wohl in Gegenwart dieser selbstbewussten Frau. Das Zimmer
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