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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward
Autoren: H. P. Lovecraft
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ganz passabtes Porträt des Dr. Allen dar. Mr. Ward wurde bleich, und Willett wischte sich mit dem Taschentuch über die plötzlich feucht gewordene Stirn. Allen - Ward - Curwen - die Sache wurde allmählich zu grauenhaft, als daß man noch einen klaren Gedanken hätte fassen können. Was hatte der Junge aus dem Nichts heraufbeschworen, und was hatte dies ihm angetan? Was war wirklich mit ihm vom Anfang bis zum Ende geschehen? Wer war dieser Allen, der Charles als zu »zimperlich« umzubringen trachtete, und warum hatte sein ausersehenes Opfer im Postskriptum zu seinem verzweifelten Brief geschrieben, er müsse vollständig in Säure aufgelöst werden? Warum hatte weiterhin jene Minuskel-Botschaft, über deren Herkunft niemand nachzudenken wagte, verlangt, daß Curwen auf eben diese Weise beseitigt werden solle? Worin bestand die Veränderung, und wann war sie in die letzte Phase getreten? Jener Tag, an dem Willett den verzweifelten Brief erhielt - er war den ganzen Vormittag nervös gewesen, dann hatte es einen Umschwung gegeben. Er war unbemerkt aus dem Haus geschlichen und, als er wiederkam, hochmütig an den Männern vorbeistolziert, die ihn bewachen sollten. In der Zeit mußte es passiert sein, als er außer Haus war. Doch halt - hatte er nicht entsetzt aufgeschrien, als er sein Arbeitszimmer betrat? - Was hatte er hier gefunden? Oder sollte man fragen -wer oder was hatte ihn gefunden? Dieses Trugbild, das mit raschem Schritt ins Haus ging, ohne es vorher verlassen zu haben — war es ein fremder Schatten und ein Geist gewesen, der sich auf eine zitternde Gestalt stürzte, die überhaupt nicht hinausgegangen war? Hatte nicht der Butler von sonderbaren Geräuschen gesprochen?
    Willett klingelte nach dem Mann und stellte ihm mit leiser Stimme ein paar Fragen. Ja, gewiß, es habe sich schrecklich angehört. Verschiedene Geräusche seien zu hören gewesen - ein Schrei, ein Stöhnen, ein Gurgeln und eine Art Klappern oder Quietschen oder Plumpsen oder all dies gleichzeitig. Und Mr. Charles sei nicht der alte gewesen, als er wortlos aus dem Zimmer kam. Der Butler schauderte, während er sprach, und sog schnuppernd die schwere Luft ein, die aus einem offenen Fenster im Stockwerk darüber herabwehte. Das Grauen hatte sich endgültig dieses Hauses bemächtigt, und nur die nüchternen Detektive bemerkten nicht allzuviel davon. Doch auch sie waren unruhig, denn dieser Fall war von einer vagen Hintergründigkeit, die ihnen gar nicht gefiel. Dr. Willett dachte angestrengt nach, und seine Gedanken waren schrecklich. Hin und wieder fing er fast zu stammeln an, während er im Geiste eine neue, erschreckende und zunehmend folgerichtige Kette alptraumhafter Ereignisse durchging- Dann machte Mr. Ward eine Geste, zum Zeichen, daß die Konferenz beendet sei, und alle außer ihm und dem Doktor verließen den Raum. Es war jetzt Mittag, doch Schatten wie bei Anbruch der Nacht schienen das von Gespenstern heimgesuchte Haus zu umfangen. Willett begann, sehr ernst mit seinem Gastgeber zu sprechen, und drängte ihn, einen Großteil der künftigen Nachforschungen ihm zu überlassen. Man würde, so prophezeite er, auf bestimmte widerwärtige Dinge stoßen, die ein Freund der Familie eher ertragen könne als ein Verwandter. Als Hausarzt müsse er freie Hand haben, und als erstes müsse er sich jetzt eine Zeitlang allein und ungestört in der leeren Bibliothek aufhalten, in der sich um die uralte Täfelung über dem Kamin ein Dunstkreis widerwärtigen Grauens gebildet hatte, abscheulicher noch als zu der Zeit, da die Züge von Joseph Curwen selbst tückisch von dem bemalten Paneel herabgestarrt hatten.
    Ganz benommen von der Flut grotesker Morbiditäten und undenkbarer, geistverwirrender Vermutungen, die von allen Seiten über ihn hereinbrachen, konnte Mr. Ward sich nur einverstanden erklären, und eine halbe Stunde später hatte sich der Doktor in dem ängstlich gemiedenen Raum mit der Täfelung aus Olney Court eingeschlossen. Der Vater, der draußen lauschte, hörte, wie Willett hin und her ging und stöberte und kramte, und schließlich, nachdem einige Zeit verstrichen war, kam ein Krachen und Quietschen, so als sei eine klemmende Schranktür aufgerissen worden. Dann ein erstickter Schrei, ein gurgelndes Stöhnen und ein hastiges Zuschlagen der Tür, die eben erst geöffnet worden war. Fast unmittelbar darauf knirschte der Schlüssel im Schloß, und Willett trat auf den Flur hinaus, verstört und geisterbleich, und verlangte nach Holz
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