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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3
Autoren: J. D. Salinger
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ich unruhig - als nämlich ein zweistöckiger
    Omnibus daherkam und ich eine Weile lang nicht mehr sehen konnte, wo zum Teufel sie war. Beim
    Zoo schrie ich zu ihr hinüber: »Phoebe! Ich geh in den Zoo! Komm jetzt!« Sie wollte mich nicht
    anschauen, aber offenbar hatte sie mich doch gehört, denn als ich mich oben an der Treppe, die
    zum Zoo hinunterführt, wieder nach ihr umdrehte, sah ich sie die Straße kreuzen und mir
    nachgehen.
Im Zoo waren nicht viele Leute, weil ziemlich schlechtes Wetter war, aber ein paar standen bei
    den Seelöwen am Schwimmbassin. Ich ging vorbei, aber da die gute Phoebe stehenblieb und so tat,
    als müßte sie die Fütterung sehen - ein Wärter warf den Seelöwen Fische zu -, drehte ich wieder
    um.
Ich hielt das für eine gute Gelegenheit, um wieder mit ihr ins reine zu kommen. Ich stellte
    mich hinter sie und legte ihr beide Hände auf die Schultern, aber sie machte eine Kniebeuge und
    schlüpfte mir weg - ich habe schon gesagt, daß sie sich manchmal ziemlich rotzig benehmen kann,
    wenn sie in der Stimmung ist. Sie blieb weiter dort stehen, während die Seelöwen gefüttert
    wurden, und ich stand hinter ihr. Ich legte ihr nicht mehr die Hände auf die Schultern oder so,
    weil sie mir sonst wirklich davongerannt wäre. Kinder sind komisch. Man muß sehr achtgeben, was
    man tut.
Als wir von den Seelöwen weggingen, wollte sie zwar immer noch nicht neben mir hergehen, aber
    sie hielt sich in weniger großer Entfernung. Sie ging auf dem einen Trottoir und ich auf dem
    andern.
Das war nicht überwältigend, aber doch besser als ein Kilometer Abstand wie vorher. Dann sahen
    wir uns auf der kleinen Anhöhe die Bären an, obwohl es da nicht viel zu sehen gab. Nur ein
    einziger Bär war draußen - der Eisbär. Der braune saß in seiner verdammten Höhle und wollte
    sich nicht zeigen.
Man sah nur sein Hinterteil. Ein kleiner Junge neben mir, dem ein Cowboyhut tief über den Ohren
    saß, sagte fortwährend zu seinem Vater: »Mach, daß er herauskommt! Mach doch, daß er
    herauskommt!« Ich schaute Phoebe an, aber sie wollte nicht lachen. Kinder wollen ja nie lachen
    oder so, wenn sie beleidigt sind.
Nach den Bären gingen wir aus dem Zoo hinaus und kreuzten eine Straße zum Park hinüber und
    gingen dann durch eine Unterführung, die genau so nach Pinkel roch wie alle diese
    Unterführungen.
Es war der Weg zum Karussell. Phoebe wollte immer noch nicht mit mir reden, aber sie lief jetzt
    neben mir her. Ich griff nach dem Gürtel hinten an ihrem Mantel, einfach nur so zum Vergnügen,
    aber das wollte sie nicht haben. Sie sagte: »Behalt deine Hände bei dir, falls dir das möglich
    ist.« Sie war immer noch beleidigt. Aber nicht mehr so sehr wie vorher. Wir kamen immer näher
    zum Karussell, man hörte schon die blöde Musik, die offenbar dazugehört. Es war: O Marie! Das
    gleiche Lied hatten sie schon vor fünfzig Jahren gespielt, als ich selber noch ein Kind war.
    Das ist nett an den Karussells, daß sie immer dasselbe spielen.
»Ich dachte, das Karussell sei im Winter zu«, sagte Phoebe.
Das war das erste Mal, daß sie wirklich etwas sagte.
Wahrscheinlich hatte sie vergessen, daß sie beleidigt war.
»Vielleicht wegen Weihnachten«, sagte ich.
Darauf antwortete sie nicht. Wahrscheinlich war ihr wieder eingefallen, daß sie beleidigt
    war.
»Willst du Karussell fahren?« fragte ich. Ich wußte, daß sie sicher große Lust hatte. Als sie
    noch klein war und Allie und D.B. und ich sie oft in den Park mitnahmen, war sie ganz versessen
    darauf.
Man konnte sie kaum mehr von dem verdammten Karussell wegkriegen.
Ich hatte erwartet, daß sie nicht antworten würde, aber sie sagte: »Ich bin zu groß
    dafür.«
»Nein, gar nicht. Geh doch. Ich warte hier auf dich. Geh doch«, sagte ich. Wir standen jetzt
    davor.
Ein paar Kinder saßen darauf, zum größten Teil noch sehr kleine, und ein paar Eltern warteten
    in der Nähe, auf den Bänken und so. Ich ging zum Schalter, wo man Karten bekommt, und kaufte
    eine für Phoebe. Dann gab ich sie ihr. Sie stand dicht neben mir. »Da«, sagte ich. »Wart noch -
    da, nimm auch den Rest von deinem Geld wieder.« Dabei gab ich ihr das Geld, das sie mir
    geliehen hatte.
»Behalt du's. Behalt du's für mich«, sagte sie. Und dann hängte sie an: »- bitte.«
Das ist deprimierend, wenn jemand »bitte« zu einem sagt. Ich meine, wenn es Phoebe oder so
    jemand ist. Es deprimierte mich wahnsinnig. Aber ich steckte also das Geld in die Tasche.
»Willst du nicht auch
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