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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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Also, ich komme gleich zur Sache. Ich glaube nicht an diese Reinkarnationsgeschichte. Aber ich stelle fest, dass die Menschen daran glauben und Sie ein unglaubliches Talent besitzen, Toulouse-Lautrec nachzuahmen. Ihre Bilder bringen viel Geld, wenn auch nicht die Traumpreise eines echten Toulouse-Lautrec. Wenn Sie mir das Alleinverkaufsrecht übertragen, mache ich Sie zu einem reichen Mann.«
    William Laurens wirkte noch immer wie von einer unsichtbaren Macht inspiriert. Er schien nicht zugehört zu haben und erwiderte kurz angebunden: »Einverstanden.«
     
    Am 16. September 1954 fand vor dem Strafgericht von New York ein Prozess statt, der viele Menschen anlockte. Der Museumsverband der Stadt hatte nämlich Klage gegen William Laurens erhoben und ihn als Fälscher bezeichnet.
    Als Laurens den Gerichtssaal betrat, hatte er nur mehr wenig gemeinsam mit dem farblosen, unbedeutenden Kuhhirten mit den blonden Stoppelhaaren und dem Verhalten eines großen Jungen. Im Gegenteil, er war ganz Künstler mit seiner saloppen Kleidung, seiner wilden Frisur und seinem fiebrigen Blick. Er nahm neben seinem Anwalt Platz. In seinem Gesicht zuckte es nervös und er zitterte leicht.
    Der Anwalt des Nebenklägers brachte seinen Antrag vor:
    »William Laurens signiert seine Gemälde mit Toulouse-Lautrec. Es sind also Fälschungen und nicht nur Kopien. Er muss deshalb als Fälscher verurteilt werden.«
    Doch der Anwalt der Verteidigung hatte genauso viele Argumente vorzubringen: »Das spezifische Merkmal eines Fälschers besteht darin, seine Werke für die eines anderen auszugeben. Das ist bei William Laurens nicht der Fall. Er malt vor aller Augen. Er hat immer betont, dass er sie selbst gemalt hat und nicht Toulouse-Lautrec. Ist es seine Schuld, dass sein Sturz vom Pferd seine Persönlichkeit verändert hat?«
    Einspruch des Nebenklägers: »Er hat nicht das Recht, mit >Toulouse-Lautrec< zu signieren.«
    »Aber wenn er keinen Hehl daraus macht...«
    Die Richter waren offensichtlich lange Zeit unentschlossen, denn sie verkündeten ihr Urteil erst sechs Monate, nachdem sie den Fall zur Beratung gestellt hatten. William Laurens war kein Fälscher.
    Die Nachricht geriet zu einer Sensation. Dadurch konnte diese ungewöhnliche, sozusagen posthume Produktion von Lautrec-Bildern fortgesetzt werden. Ganz legal folgten neue Lautrec-Gemälde denen, die man bereits kannte, Gemälde, die genauso bewundernswert waren wie die echten. Was war geschehen, dass sich ein ungehobelter Kuhhirte dermaßen verwandeln konnte? Wurde er tatsächlich von dem verstorbenen Maler inspiriert?
    In allen Staaten Nordamerikas stellte man sich ernsthaft diese Frage. Okkultismus-Spezialisten läuteten am Atelier des Künstlers in San Francisco. William Laurens empfing sie jedoch nicht, er empfing niemanden mehr, abgesehen von dem Gemäldehändler Gregor O’Brady, der seine Bilder abholte und immer größere Geldscheine zurückließ. Es muss hier allerdings auch erwähnt werden, dass sich William Laurens' Charakter schnell zum Negativen verändert hatte. Denn er hatte, genau wie sein berühmtes Vorbild, mit dem Trinken angefangen.
     
    8. April 1955. Gregor O’Brady läutete an der Tür des Ateliers in San Francisco. William Laurens schlurfte zur Tür und öffnete. Seine Stimme war belegt: »Was wollen Sie? Ich habe nichts gemalt. Gehen Sie!«
    Doch der Gemäldehändler ging nicht. Im Gegenteil, er setzte sich auf eine Kiste inmitten der unglaublichen Unordnung, die hier im Atelier herrschte.
    »William, es mag töricht klingen, aber ich habe Sie gern. Und deshalb sage ich Ihnen: Es reicht jetzt!«
    »Was meinen Sie?«
    »Ihre Komödie.« Gregor O’Brady hielt Williams Hand fest, die gerade nach der Whiskyflasche griff.
    »Und hören Sie auf zu trinken. Sie sind auf dem besten Wege, sich zu zerstören. Hören Sie, William, Sie sind ein sehr starker Charakter und Sie haben ein geniales Ding gefunden, um Geld zu verdienen. Mit diesem Reinkarnationstrick ist es Ihnen gelungen, eine Art legaler Fälscher zu werden. Aber wie Sie wissen, bin ich nie darauf reingefallen. Also, reißen Sie sich zusammen.«
    William Laurens behauptete mit irrem Blick: »Ich bin Toulouse-Lautrec.«
    »Nein. Das ist falsch und auch Sie haben das selbst nie geglaubt. Wie wäre es, wenn Sie aufhören würden? Das Geld, das Sie bis jetzt verdient haben, dürfte Ihnen reichen.«
    Der Maler lächelte seltsam. »Vielleicht höre ich bald auf.«
    »Warum?«
    »Weil ich siebenunddreißig bin.«
    »Na
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