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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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ein paar Stunden vor seinem Abflug blieben und er zudem die italienische Sprache nicht beherrsche. Dies stelle in dieser Stadt und für ein derartiges Geschäft ein großes Handicap dar, denn er sei sich sehr wohl bewusst, dass er hier nur dann Erfolg habe, wenn er um jeden Preis feilsche.
    Es wurde die Vertrauensfrage gestellt. Wäre Rémy bereit, bei einer eventuellen Verhandlung als Dolmetscher einzuspringen? Der Brasilianer bot ihm eine Provision auf den Verkaufserlös an. Rémy spürte, dass das Abenteuer — und auch das gute Geschäft — in Reichweite waren. Endlich war da etwas, das die Routine durchbrach. Er zögerte. Doch das Schicksal gab ihm sofort ein Zeichen. Ein Italiener am Nebentisch sah die auf dem Tisch ausgebreiteten Uhren. Seine schwarzen Augen funkelten begierig. Plötzlich stand der Mann auf, näherte sich den beiden Männern, entschuldigte sich und fragte: »Sind diese Uhren zufällig zu verkaufen?«
    »Aber natürlich.«
    Und Rémy fungierte sozusagen als Simultandolmetscher, wobei er zwischen Englisch und Italienisch wechselte. Der Preis für die Uhren? Der Brasilianer behauptete, dass er sie für zweihundert Schweizer Franken pro Uhr gekauft hätte und zumindest nicht draufzahlen wollte. Er hatte sechzig Uhren zu verkaufen. Der Italiener wirkte betrübt.
    »Zweihundert Franken pro Uhr! Mamma mia!« (Glaubte der Verkäufer etwa, in Rom seien lauter Rothschilds unterwegs?)
    Schließlich einigte man sich. Der Italiener, der elf Uhren auswählte, hatte das Geld natürlich nicht bei sich, denn er hatte ja nicht vorgehabt, ein solches Geschäft zu tätigen. Der Brasilianer wiederum hatte es aber viel zu eilig, um abzuwarten, dass der Mann nach Hause ging und das Geld holte. Es gab nur eine Lösung: Es musste ein Geldgeber gefunden werden, der den Preis auf der Stelle zahlen konnte. Rémy schien dafür der Richtige zu sein. Dieser wühlte also in seinen Taschen und fand genau die passende Summe in Lire, Franc und Dollar.
    Der Brasilianer war begeistert, da die Dinge sich gut anließen. Er steckte das Geld, abzüglich der Provision für seinen Dolmetscher, ein und bot ihm eine Uhr an. Dann sprang er in ein Taxi und fuhr winkend davon. Rémy brauchte jetzt nur gleichfalls ein Taxi zu nehmen, um dem Italiener zu folgen und das Geld in Empfang zu nehmen. Genau das tat er auch. Während der Fahrt betrachtete er bewundernd die großartige goldene Uhr, die an seinem Handgelenk mit einem Schweizer Akzent, wie er meinte, tickte. Kurz darauf hielt das Taxi vor einem Palazzo, der vor zweihundert Jahren bestimmt prachtvoll gewesen war.
    Der Italiener entschuldigte sich. Er könne Rémy nicht mitnehmen, da es seine Megäre von Ehefrau hasse, wenn er spontan Besuch mitbringe, der sie bei der Hausarbeit überraschte. Er werde jetzt die Treppe hinaufsteigen (er vertraue Rémy, der die Uhren in der Tasche aufbewahrte) und mit tausenden von Lire zurückkommen, um sie dem gefälligen Französischdolmetscher zu übergeben. Rémy möge sich nur ein paar Minuten gedulden.
    Doch nach einer Dreiviertelstunde war er immer noch nicht zurückgekehrt. Rémy betrat in Begleitung des Taxifahrers den Palazzo, um sich nach dem Stockwerk zu erkundigen, in dem der Unbekannte wohnte. Aber in dem Gebäude kannte ihn niemand. Das war umso beunruhigender, als Rémy feststellte, dass das Gebäude zwei Ausgänge hatte, die auf zwei Parallelstraßen hinausgingen. Er begriff nun, dass der falsche brasilianische Pilot und der falsche Käufer ihn ausgetrickst hatten. Er bezahlte das Taxi mit dem Geld, das er noch in den Hosentaschen bei sich trug. Der Fahrer bedankte sich mit einem verächtlichen Grinsen, da ihm Rémy kein Trinkgeld geben konnte.
    Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu erkennen, dass der Käufer der »Schweizer Uhren« schließlich er selbst gewesen war. Als er sie zählte, stellte er fest, dass eine fehlte. Er war jetzt also um eine stattliche Summe ärmer, aber im Besitz einiger Kleinode der Schweizer Goldschmiedekunst. In Rom konnte er sie nicht verkaufen. So verkürzte er seinen Aufenthalt und kehrte nach Frankreich zurück. Als er den Zoll passierte, traten ihm Schweißperlen auf die Stirn. Doch das Glück war auf seiner Seite, denn niemand interessierte sich für seinen Koffer, in dem die Uhren verpackt waren, die er nicht verzollte.
    Als er wieder zu Hause war, verschenkte er zu allen Festen Schweizer Uhren an seine Schwestern, seine Mutter, an die ganze Familie. Nach ein paar Wochen gaben alle Uhren ihren Geist
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