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Der Facebook-Killer

Der Facebook-Killer

Titel: Der Facebook-Killer
Autoren: Oliver Hoffmann , Thommy Mardo
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nicht gerade Rücksicht auf seinen Zustand genommen, als sie ihm mit Handschellen die Hände auf dem Rücken fesselten. Er schaffte es trotzdem, sie von unten herauf anzugrinsen. Die Wölfin wandte sich an den Beamten neben ihr.
    „Schaffen Sie ihn hier raus.“
    Als der Angesprochene zusammen mit einem seiner Kollegen Manet unsanft vom Boden hochzerrte und die Treppe hochschleifte, was dieser ohne einen Laut der Klage und verbissen grinsend über sich ergehen ließ, machte sie dieselbe Beobachtung wie zuvor der Berber: Sie zitterte am ganzen Körper. Ehe sie dem Beachtung schenken konnte, kam René Bavarois die Stufen herunter gepoltert. „Der Hubschrauber ist im Anflug auf die Wiese draußen. Gut, dass wir ihn auf Standby hatten“, rief er.
    Der Commandant sondierte den Raum, um sich einen groben Überblick über die Lage zu verschaffen, bewegte sich dann aber wie magisch angezogen zu der Tür, hinter der sich das eigentliche Albtraumreich des „Facebook-Killers“ befand.
    Der Raum war nur von einer funzeligen Glühbirne erhellt, die ihn eher in Halbschatten tauchte, als ihn zu beleuchten. An den unverputzten Wänden rann hier und da Wasser herunter; in den Winkeln hatten sich große, dunkle Schimmelflecken ausgebreitet. Überall waren Spinnweben. In einer Ecke befand sich ein mit allerhand Substanzen, über die Bavarois gar nicht näher nachdenken wollte, verschmiertes Handwaschbecken von der Sorte, wie man sie in Werkstätten fand. Der rostige Wasserhahn tropfte. Eine Wand war bedeckt mit Fotografien, wahrscheinlich alles Opferbilder, und Ausdrucken von Facebook-Chatprotokollen. Hunderte eng bedruckter Seiten hingen da neben Bildern abscheulicher Gräueltaten – die Trophäenwand des Facebook-Killers. Im ganzen Raum hing ein süßlicher, drückender, widerlicher Blutgeruch, der sich mit den modrigen Ausdünstungen des alten Gemäuers mischte.
    Die Szenerie lief ab, wie in einem schlechten Film: Bavarois nahm Mafro wahr, der im Rahmen der Tür nach nebenan stand und auf einen der Männer des Sondereinsatzkommandos einredete. Er sprach hektisch und hatte rote Flecken am Hals und auf den Wangen. Von oben hörte er die Notärzte eintreffen, vernahm, wie sie sich schnell, aber professionell um den angeschossenen Fanon kümmerten.
    Dann fiel sein Blick auf den Boden. Voller Entsetzen betrachtete er den geschundenen Leib Patricia Kaplans, des letzten Opfers des Monsters. Nackt war sie an ein Kreuz genagelt, das so groß war, dass Manet es diagonal in den Raum hatte legen müssen. Davor lagen ein paar zerschnittene, blutverschmierte, achtlos beiseite geworfene Seile. Augenscheinlich hatte Manet keinen Gedanken daran verschwendet, wie er das Kreuz wieder hier herausschaffen wollte. Patricia Kaplan hatte aus der Nase geblutet, Augen und Mund waren verquollen. Die linke Hand war noch frei; ein Druckluftnagler lag in Griffweite; offenbar hatten sie ihn diesmal bei der Durchführung seines perversen Strafrituals gestört.
    Sein Blick schweifte über die Fotos und blieb an einem hängen. Es war hier, in diesem Raum aufgenommen, von der Tür her. Es zeigte eine junge Frau, die mit Klebeband an den abgewetzten Bürostuhl fixiert war, der jetzt wie ein zerbrochenes Ding aus einer anderen, albtraumhaften Welt in eine Ecke des Raumes gerollt stand. Manet musste das Bild mit Selbstauslöser aufgenommen haben, denn im Vordergrund sah man ihn selbst von hinten, den sehnigen Rücken unter einem dunkelgrünen Hemd gekrümmt, wie er sich mit irgendetwas, das nur verschwommen erkennbar war, an der gekreuzigten Patricia Kaplan zu schaffen machte. Das junge Mädchen auf dem Bürostuhl starrte mit angstgeweiteten Augen auf das Geschehen direkt zu ihren Füßen, auf das dämonische Treiben des Facebook-Killers, hinab.
    Wie ein Schwall Eiswasser traf Bavarois die Erkenntnis, dass Manet die andere junge Frau, in der er Mafros Exfreundin zu erkennen glaubte, gezwungen hatte, Kaplans Martyrium mit anzusehen. Er wollte sich gerade abwenden, da bewegte sich die linke Hand Kaplans kaum merklich, zugeschwollene, aufgesprungene Lippen öffneten sich Bruchteile von Millimetern, und die junge Hotelfachfrau gab ein unartikuliertes, fast unhörbares Krächzen von sich.
    Mit zwei weiten Schritten war Bavarois an der Tür zum Vorraum.
    „Doktor, schnell! Sie lebt!“

    Danach ging alles sehr schnell. Mit professioneller Effizienz nahmen die Notfallmediziner Patricia Kaplan vom Kreuz ab. Das ähnelte erschreckend einer modernen Pieta. Manet in seinem
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