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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition)
Autoren: Mark Allen Smith
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musste es nun lernen. Er stellte sich Corley vor, wie er in seinem Sessel saß, mit traurigen, dunklen Augen, das Notizbuch im Schoß, ein kurz aufflackerndes Lächeln, wenn Geiger in das Sprechzimmer kam.
    Martin, ich glaube, ich weiß jetzt, was das für ein Gefühl ist.
    Die Traurigkeit?
    Ja.
    Sagen Sie es mir.
    Es ist Trauer, Martin. Trauer.

36
    Mit der Fingerspitze rieb Christine einen kleinen Schmierfleck auf der Theke weg, dann hob sie die Kaffeetasse an den Mund. Wie jedes Mal, wenn die Glocke anschlug, blickte sie zur Tür; das war ihre neue Gewohnheit.
    Eine Sekunde lang brannte das einfallende Licht der Morgensonne das Bild des Gastes aus, der eintrat. Nach zwei Schritten blieb er stehen, und sie stellte langsam die Tasse ab und erhob sich von ihrem Hocker. Wenn nur einer von ihnen zurückkam, so nahm sie an, bedeutete es, dass der andere tot war – und ein Schmerz blühte in ihr auf, der sich genauso sehr von der Freude wie vom Entsetzen nährte.
    Sie ging zu ihm. Etwas war zerbrochen. Etwas in ihm, das kein Arzt mehr in Ordnung bringen oder ersetzen konnte. Sie legte die Arme um ihn und zog ihn an sich. Sie spürte, wie sein Körper nachgab, als wäre er inwendig ausgehöhlt.
    »Mir geht es nicht gut, Chris«, sagte Harry.
    »Das weiß ich.«
    Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn ins Büro, schloss die Tür und streifte seine Jacke ab.
    »Setz dich.«
    Er setzte sich auf die Couch. Sein Blick wanderte umher, aber er schien nichts anzusehen.
    »Ich wollte dich sehen … ehe ich zurückfliege …«
    »Harry, erzähl mir, was geschehen ist.«
    Sie konnte ihn kaum ansehen. Sein Gesicht war eingefallen und zeigte merkwürdige, verblasste Flecken. Er hatte abgenommen und sah aus wie der Überlebende einer Katastrophe. Christine zog einen Stuhl heran, setzte sich vor ihn hin und nahm seine Hände.
    »Möchtest du etwas essen – oder trinken?«
    Harry schüttelte den Kopf.
    Sie wollte bei ihm sitzen, ruhig und still, und wartete, bis er von selbst die Dinge aussprach, die ihn bedrückten. Aber sie hielt es nicht mehr aus.
    »Harry, Geiger war hier.«
    »Weiß ich.«
    »Vor einer Woche. Er hat dich gesucht. Ich weiß von Dalton.«
    »Ist … gestorben.«
    Die beiden Wörter waren wie ein Paar Hände, das sich um ihre Kehle schloss. Sie konnte nicht schlucken. Sie ließ Harry los und lehnte sich zurück. Sie hatte ein Gefühl, als glitte sie ab, und empfand eine schimmernde, kristallene Traurigkeit um Dinge außerhalb ihrer Reichweite …
    »Dalton, Matheson … Alle tot – außer mir und Geiger.«
    … und dann plötzlich einen Schwebezustand – Atem, Blut, die winzigen Moleküle in der Luft. Leben im Standbild.
    »Harry … Geiger lebt? «
    »Ja.« Er machte den Eindruck, als zweifelte er an seiner Fähigkeit, die Dinge um sich herum richtig einzuordnen. »Das hab ich doch gerade gesagt, oder?«
    Wie elektrisiert setzte sich ihr Körper wieder in Bewegung. Ihr Atem fühlte sich in der Lunge kühl an. Sie bemerkte, dass sie die Armlehnen umklammerte, und legte die Hände in den Schoß.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Was tut dir leid?«
    »Es muss schwer gewesen sein – rumsitzen, warten, nichts wissen.«
    Mehr würde sie nicht fragen. Was ihm zugestoßen war … Wo er gewesen war. Es musste reichen. Sie lebten beide – und es gab unterschiedliche Töne der Melancholie, mit denen sie sich umgeben konnte, einige angenehmer als andere. Sie stand auf und setzte sich neben ihn.
    Harrys Seufzen klang wie ein letzter Atemzug. »Es ist dieses Gefühl, Chris.«
    »Welches?«
    »Wenn etwas passiert und du weißt, dass du nie wieder der Gleiche sein wirst – ganz egal, was du tust und wie viel Zeit vergeht. Du weißt, dass du jetzt ein anderer bist. Verstehst du?«
    »Ja.«
    »Ich musste Dinge tun … ich musste. Dinge, mit denen ich große Schwierigkeiten habe. Wirklich üble Dinge.«
    Sie hob eine Hand und strich ihm das Haar mit den Fingerspitzen glatt. Das hatte er immer gerngehabt.
    »Du brauchst nicht sofort zurückzufliegen, Harry. Du solltest eine Weile bei mir bleiben. Wir werden versuchen, es ein wenig besser zu machen.«
    »Meinst du?«
    »Ja. Das meine ich.«
    Er lehnte sich ins Sitzkissen zurück und schloss die Augen. »Okay«, sagte er. »Für eine Weile.«
    Sie fuhr ihm weiter mit den Fingern durchs Haar und betrachtete ihn, bis einige Dämonen, die ihn im Griff hatten, losließen und die Falten in seinem Gesicht weicher wurden. Dann lehnte sie sich neben ihm zurück, dicht an
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