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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner
Autoren: Carre
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selbst nicht festnageln konnte.
    »Auf dem Rückweg, möchte man annehmen. Warum?«
    »Mit Arnold?«
    »Vermutlich. Er würde sie nicht einfach dort zurücklassen.«
    »Hat sie sich zwischendurch gemeldet?«
    »Bei mir? Von Loki aus? Wie sollte sie? Da gibt’s kein Telefon.«
    »Ich dachte, sie hätte vielleicht eine Funkverbindung der Entwicklungshelfer genutzt. Machen andere Leute das nicht so?«
    »Tessa ist nicht andere Leute«, entgegnete Justin und runzelte die Stirn. »Sie hat feste Prinzipien. Dazu gehört zum Beispiel, das Geld von Spendern nicht unnötig zu verschwenden. Was ist eigentlich los, Sandy?«
    Justin blickte ihn jetzt finster an, stieß sich vom Schreibtisch ab und baute sich in der Mitte des Zimmers auf, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Und Woodrow wurde – Justins aufmerksames, hübsches Gesicht vor Augen und das im Sonnenlicht aufleuchtende, ergrauende Haar – an Tessa erinnert. Ihr Haar hatte genau dieselbe Farbe, nur ohne die Spuren des Alters, und war ungebändigter. Er erinnerte sich, wie er sie das erste Mal zusammen gesehen hatte, Tessa und Justin, das strahlende, frisch verheiratete Paar, als Ehrengäste der vom Hochkommissar ausgerichteten Willkommensparty. Und wie er, als er zur Begrüßung auf sie zugegangen war, sich vorgestellt hatte, sie seien Vater und Tochter, und er halte um ihre Hand an.
    »Seit wann haben Sie nichts mehr von ihr gehört?«, fragte er.
    »Seit Dienstag. Da habe ich sie zum Flughafen gefahren. Was soll das, Sandy? Da Arnold bei ihr ist, wird schon alles in Ordnung sein. Sie tut, was er sagt.«
    »Glauben Sie, dass sie zum Turkanasee weitergefahren sein könnten, sie und Bluhm – Arnold?«
    »Wenn sie die Möglichkeit hatten und Ihnen der Sinn danach stand, warum nicht? Tessa liebt die Wildnis, sie hat große Achtung vor Richard Leakey, dem Archäologen genauso wie dem anständigen weißen Afrikaner, der er ist. Leakey hat doch auch eine Klinik dort? Arnold hatte wahrscheinlich da zu tun und hat sie mitgenommen. Sandy, was soll das?«, wiederholte er indigniert.
    Während er ihm den Todesstoß versetzte, konnte Woodrow nicht umhin, die Wirkung seiner Worte auf Justin zu beobachten. Und er sah, wie die letzten Reste der vergangenen Jugend aus Justins Zügen schwanden und sich sein hübsches Gesicht verschloss und wie ein Meeresgeschöpf verhärtete, das in einen korallenähnlichen Zustand überging.
    »Wir haben Berichte erhalten über eine weiße Frau und einen afrikanischen Fahrer, die am Ostufer des Turkanasees aufgefunden wurden. Tot«, begann Woodrow vorsichtig, das Wort »ermordet« vermeidend. »Der Wagen und der Fahrer waren im Hotel Oase gemietet worden. Der Besitzer der Anlage will die Frau als Tessa identifiziert haben. Er sagt, sie und Bluhm hätten die Nacht in der Oase verbracht, bevor sie zur Leakey-Ausgrabungsstätte aufbrachen. Bluhm wird noch vermisst. Man hat Tessas Halskette gefunden. Die, die sie immer getragen hat.«
    Woher weiß ich das? Warum , in Gottes Namen , suche ich mir ausgerechnet diesen Moment aus , um mit meinem intimen Wissen über ihre Kette anzugeben?
    Woodrow wandte den Blick nicht von Justin ab. Der Feigling in ihm wollte wegsehen, doch dem Sohn eines Soldaten wäre das vorgekommen, als würde man einen Mann zum Tode verurteilen und nicht zu seiner Hinrichtung erscheinen. Er beobachtete, wie Justins Augen sich weiteten, verletzt und enttäuscht, als hätte ein Freund ihn von hinten angefallen. Dann verengten sie sich, bis sie fast verschwanden, so als hätte derselbe Freund ihn bewusstlos geschlagen. Woodrow beobachtete, wie Justins wohlgeformte Lippen sich vor Schmerz öffneten und sich dann zusammenpressten, bis sie die Farbe verloren – eine feste Linie, die die Außenwelt ausschloss.
    »Anständig von Ihnen, es mir zu sagen, Sandy. War sicher kein Vergnügen. Weiß Porter Bescheid?« Porter war der ungewöhnliche Vorname des Hochkommissars.
    »Mildren ist dabei, ihn ausfindig zu machen. Man hat einen Mephisto-Stiefel gefunden. Könnte der zu ihr gehören?«
    Justin hatte Schwierigkeiten mit der Koordination. Es dauerte einen Moment, bis der Klang von Woodrows Worten bei ihm ankam. Dann beeilte er sich zu antworten, in abgehackten Sätzen, die er sich mühsam abrang. »Da gibt’s einen Laden in der Nähe von Piccadilly. Sie hat drei Paar gekauft beim letzten Heimaturlaub. Sonst habe ich nie erlebt, dass ihr das Geld so locker in der Tasche saß. In der Regel gab sie wenig aus. Musste sich nie Gedanken
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