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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt
Autoren: Katherine McLean
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hin­ter sich ha­ben und aus der Tret­müh­le raus müs­sen, um ihn aus­zu­ku­rie­ren. Und nie­mand hat­te et­was da­ge­gen, wenn man sei­nen Kopf hin­ein­steck­te und nach Auf­merk­sam­keit ver­lang­te, wenn man nie­man­den durch Klop­fen oder Klin­geln zum Auf­ste­hen be­we­gen konn­te. Ich drück­te die Klin­ke, um rein­zu­ge­hen. Aber sie war fest. Ab­ge­schlos­sen.
    Ich kam mir vor wie je­mand, den man nicht im Hau­se ha­ben will. Da kommt die­ser Rie­sent­rot­tel wie­der … Ge­or­ge, der nur Mus­keln im Schä­del hat … schließ bloß die Tür ab. Es war wirk­lich ein mie­ser Tag, aber was soll­te ich nun ma­chen? Ich konn­te nir­gend­wo an­ders hin­ge­hen.
    Ich stand zit­ternd da und be­weg­te die Klin­ke wie ein Ir­rer. Aber die Tür ging nicht auf. Statt des­sen er­zeug­te die Klin­ke ein ras­seln­des Ge­räusch, wie das von ei­ner Ket­te oder ei­nem We­cker im Kran­ken­haus. Der Klang ging mir durch und durch und ließ bei­na­he mei­ne Hand ein­frie­ren. Ich stell­te mir vor, daß hin­ter der Tür ir­gend­was war, das gleich die Tür öff­nen wür­de: ein Un­ge­heu­er mit ei­nem To­ten­schä­del, das auf mich war­te­te.
    Ich wand­te der Tür den Rücken zu und ging vor­sich­tig und lei­se die bei­den Stu­fen zum Bür­ger­steig hin­un­ter. Ich war so in Ge­dan­ken ver­sun­ken, daß ich mir ein­bil­de­te, die Tür gin­ge hin­ter mir auf und quietsch­te. Ich dach­te so­gar, da sei ein kal­ter Wind, der von hin­ten kam und nach mir griff.
    Ich schau­te nicht zu­rück, son­dern mach­te mich da­von und ging in die glei­che Rich­tung, aus der ich ge­kom­men war. Da­bei sag­te ich mir, daß ich die Tür gar nicht hat­te be­rüh­ren wol­len.
    Ah­med trot­te­te ne­ben mir her, sah mich von der Sei­te an und war plötz­lich vor mir, wie ein rie­sen­großer Krebs.
    „Was ist denn los? Was ist denn?“
    „Sie ist nicht … Nie­mand war …“ Es war ei­ne Lü­ge. Je­mand oder et­was war in dem Haus. Ver­giß es, leg noch einen Schritt zu.
    „Wo­hin ge­hen wir jetzt?“ frag­te Ah­med.
    „Di­rekt in den Fluß hin­ein“, sag­te ich und lach­te. Es hör­te sich ko­misch an und tat mir in der Brust weh, wie ein Hus­ten. „Das Was­ser ist ei­ne Fa­ta Mor­ga­na in der Wüs­te, und du gehst auf tro­ckenem Sand und suchst nach Was­ser, in dem du dich er­säu­fen kannst. Der Sand ist mit all dem ver­lo­re­nen, ge­trock­ne­ten Zeug be­deckt, das du nicht se­hen kannst. Du stirbst auf dem tro­ckenen Sand, kriechst auf al­len vie­ren und suchst nach Was­ser. Nie­mand sieht dich. Über dir se­geln die Leu­te da­hin und se­hen in den falschen Wel­len die Re­flek­tio­nen des Him­mels. Tau­cher kom­men und fin­den dei­ne ge­trock­ne­te Mu­mie auf dem Bo­den. Und sie ma­chen sich No­ti­zen, denn sie wun­dern sich, weil sie glau­ben, es sei Was­ser in dem Fluß. Aber es ist al­les tro­cken.“
    Ich hielt an. Vor uns wa­ren die großen Docks und zwi­schen ih­nen die ur­al­ten Lan­dungs­brücken. Es hat­te kei­nen Zweck, in die­se oder ei­ne an­de­re Rich­tung zu ge­hen. Die Welt war ver­schrum­pelt und alt, und der Staub von Jahr­tau­sen­den hat­te sich auf ih­re Mu­mi­en­hül­le ge­legt. Wie ich so da­stand, wur­de die Welt noch klei­ner und schloß sich um mich wie ei­ne Schach­tel. Ich war tot, lag auf der Na­se und stand doch auf­recht auf dem Bür­ger­steig. Ich konn­te mich nicht be­we­gen.
    „Ah­med“, sag­te ich und hör­te mei­ne Stim­me, als käme sie aus wei­ter Fer­ne, „hol' mich hier raus. Wo­zu hat man schließ­lich Freun­de?“
    Er schweb­te an mir vor­bei wie ein bö­ser Ko­bold. „Warum kannst du dir nicht selbst hel­fen?“
    „Ich kann mich nicht be­we­gen“, ant­wor­te­te ich und kam mir da­bei be­mer­kens­wert ver­nünf­tig vor.
    Er um­kreis­te mich, sah sich mein Ge­sicht an und die Art, in der ich da­stand. Er be­weg­te sich ab­rupt, wie ei­ne Stech­mücke, die die rich­ti­ge Stel­le für ei­ne At­ta­cke sucht. Ich sah mich, wie ich mit In­sek­ten­spray nach ihm schoß.
    Plötz­lich setz­te er wie­der die Stim­me ein, die­se kla­re, tie­fe, hyp­no­ti­sche Stim­me, die auch die dunkle, pri­va­te Welt durch­dringt, in der ich schla­fe und träu­me.
    „Warum kannst du dich nicht
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