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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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aus. Jetzt wurde ihnen einiges klarer. Und trotzdem gab es immer noch sehr viel, was nicht stimmte. Gewisse Teile schienen nicht einmal zu demselben Puzzle zu gehören. Wahrscheinlich kannte Sanna nicht die ganze Wahrheit, sondern nur die Version, die ihr Edward Fenton vorgesetzt hatte. Hingegen hatte es den Anschein, als hätte sie sich vorgenommen, nicht mehr zu lügen.
    »Wie lange waren Sie in Portugal?«, fragte Irene.
    »Zwei Wochen.«
    »War Edward auch die ganze Zeit dort?«
    Sanna wirkte entsetzt, als sie antwortete: »Nein, das ging nicht! Er konnte nur vier Tage bleiben. Seine Frau und seine Jungen waren in die USA gefahren. Er hatte zu ihr gesagt, er brauchte noch ein paar Tage, um ein paar Dinge abzuschließen. Da traf er dann Ludde und mich.«
    Ihr Tonfall und ihre Miene wirkten zufrieden. Ein Triumph über die Rivalin! Der gute Fenton hat wirklich einiges auf dem Kerbholz gehabt, dachte Irene. Es erschien ihr jetzt nicht mehr gar so unerklärlich, warum er ermordet im Kofferraum eines Mietwagens aufgefunden worden war. Außerdem war er es gewesen, der in Rothstaahls Wohnung auf sie geschossen hatte. Die letzte Zeit war er vermutlich vollkommen außer sich gewesen. Ob die anderen wohl die Daumenschrauben angezogen hatten? Sehr viel sprach dafür.
    Sie nutzte die Gelegenheit, um noch eine Frage zu stellen, die Edward betraf: »In einer Sache hätte ich gerne absolute Klarheit. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Edward nur Ihr Geld an die Erpresser weiterreichte?«
    »Ja.«
    »Wie funktionierten die Überweisungen des Geldes an ihn?« Sanna schien sich über die Frage zu wundern. Sie antwortete:
    »Wie? Ich zahlte das Geld auf ein Konto bei H.P. Johnson’s ein, was sonst?«
    »Und von dort wollte Edward das Geld also an die Erpresser weiterleiten?«
    »Das habe ich doch gesagt!«
    Sanna war über die Fragen spürbar verärgert, und Irene ahnte, warum. Das Arrangement wirkte ohne Frage merkwürdig. Edward Fenton musste die Identität des Erpressers gekannt haben.
    Tommy räusperte sich und fragte vorsichtig: »Glauben Sie, dass Sie über die Finger sprechen können?«
    Sanna nickte tapfer und sah ihn vertrauensvoll an.
    Wie macht er das nur? dachte Irene. War es dieses Talent, was Frauen anging, das er einfach in regelmäßigen Abständen ausnutzen musste? Und warum hatte er sie dann nie angebaggert?, lautete ihre entrüstete Folgefrage. Die Antwort lag auf der Hand. Sie hätte sich nie auf so etwas eingelassen. Vielleicht funktionierte ihre Freundschaft deswegen so gut. Sie brauchten sich beide dem anderen gegenüber nicht zu verstellen.
    »Sie sagten, Edward hätte gesagt, dass er ebenfalls einen Finger bekommen hätte. Stimmt das?«, begann er. Sanna nickte.
    »Hat er Ihnen davon in einer SMS oder am Telefon erzählt?«
    »In einer SMS.«
    »Erinnern Sie sich noch genau, was in dieser SMS stand?«
    Sie schloss die Augen. Als sie sie wieder anschaute, kam ihre Antwort sehr zögernd: »Er schrieb, die Erpresser wollten die … Finger zurück. Ich antwortete, ich hätte den meinen sofort weggeworfen. Da schrieb er, er habe das ebenfalls getan, aber ich solle nach Kjells Finger suchen. Wenn ich den Finger fände, würde man die Drohung gegen mich und Ludwig nicht wahr machen.«
    »Waren Sie und Ludwig bedroht worden?«
    »Nein. Ich wusste nichts von einer Drohung … also einer neuen Drohung … vor der SMS von Edward. Außer …« Sie unterbrach sich und sah Tommy entsetzt an.
    »Ich rede zu viel … das liegt an der Medizin.«
    »Wir wissen, dass Sie und die anderen von ph.com erpresst wurden. Und Sie wissen auch, dass wir das wissen. Aber wir wissen immer noch nicht, was die Erpresser gegen Sie in der Hand hatten. Sonst hätten Sie schließlich nicht gezahlt«, meinte Tommy gelassen.
    »Sie drohten damit, mich zu töten! Wie sie es mit dem gemacht hatten, von dem der Finger stammte.«
    Die letzten Worte flüsterte sie. Sanna war klar, dass sie wider Willen etwas Wichtiges preisgegeben hatte.
    »Sie wussten also von Anfang an, dass es sich um Thomas’ Finger handelte.«
    Sanna nickte resigniert.
    »Ja. Schließlich bekam ich den Ringfinger, und auf dem saß immer noch sein Siegelring. Seine Finger waren so dick, ich glaube … sie hatten ihn einfach nicht abgekriegt …«
    Plötzlich begann sie laut zu schluchzen und zu würgen. Irene nahm eine Nierenschale aus Pappe vom Nachttisch. Sanna würgte mehrere Mal, spuckte dann aber nur gelbweißen Schleim.
    »Ich brauche eine Spritze«, schniefte

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