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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
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zerrütteten Familie. Zwar lebten die Eltern und Kalle, Caros jüngerer Bruder, noch zusammen in einer Wohnung, aber keiner hatte mit dem andern zu tun. Jeder ging seiner eigenen Wege.
    Der Vater schlug die Mutter. Die Mutter schlug die Kinder. Die Kinder schlugen andere Kinder. So war es immer gewesen. Ein Teufelskreis von Gewalt, aus dem auch Caro nicht ausbrechen konnte. Allerdings verletzte sie niemand anderen, sie verletzte sich selbst.
    »Ich würd mich gern verlieben«, sagte sie träumerisch.
    »Tust du doch. Pausenlos.« Caro war dauerverliebt. Kaum hatte sie sich an den einen gewöhnt, hielt sie dem Nächsten schon die Tür auf.
    »Nicht so. Richtig.« Sie steckte sich ein Stück Würfelzucker in den Mund und zerbiss es krachend. »Für immer und ewig, verstehst du? Ganz kitschig und wahrhaftig. Die groߟe Liebe. Bis ans Ende unserer Tage.« Sie rollte mit den Augen. »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Amen.« Lachend angelte sie nach einem zweiten Stück Zucker. Bei ihrer Figur konnte sie sich das leisten. Sie war gertenschlank und aߟ normalerweise wie ein Spatz.
    »Du willst sesshaft werden?« Ich trank von meinem Tee, den ich nicht gesüߟt hatte. Er schmeckte, als hätte ich verdorrtes Gras mit heiߟem Wasser übergossen.
    »Wie sich das anhört. Sesshaft. Aber meinetwegen nenn es so. Okay, vielleicht will ich sesshaft werden. Was dagegen?« Sie schickte mir einen provozierenden Blick über den Tisch.
    »Wenn du mir erzählen würdest, du hättest einen Job als Hochseilartistin beim Zirkus Krone angenommen, hätte ich weniger Probleme, mir das vorzustellen.«
    »Bei so einem Kapitalistenzirkus würde ich nie anheuern. Und wenn überhaupt irgendwo, dann nicht als Hochseilakrobatin, Feuerschluckerin oder sonst was, sondern als Clownin.«
    Das passte zu ihr. Mit ihrem kurzen Haar und den groߟen Augen brauchte sie nicht mehr viel, um die Illusion perfekt zu machen.
    Aber warum verletzte sie sich wieder?
    »Lenk nicht ab«, sagte ich. »Was ist mit Gil?«
    Sie stellte den leeren Jogurtbecher auf den Tisch und kippte ihn mit dem Zeigefinger um. Klirrend fiel der Löffel heraus. »Was soll mit ihm sein?«
    »Willst du mit ihm sesshaft werden?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben uns getrennt. Letzte Woche schon.«
    »Und du hast gleich Ersatz gefunden?«
    »Na und?« Angriffslustig sah sie mich an. »Muss ich jetzt wochenlang in Sack und Asche gehen?«
    Ich mochte es nicht, wenn sie mich in die Position des Moralapostels drängte. »Hab ich dir einen Vorwurf gemacht?«
    »Du? Du bist der Vorwurf in Person! Guck dich doch an!« Sie kickte den Jogurtbecher vom Tisch. Er landete auf dem Boden, rollte über die Fliesen und blieb neben einer groߟen Staubfluse liegen.
    »Zufällig mag ich Gil.« Ich merkte, dass mein Rührei inzwischen kalt geworden war. Das nahm ich Caro übel. »Und ich finde, er hat eine Chance verdient.«
    »Die hat er gekriegt.« Caro stand auf und machte sich noch einen Espresso. »Und nicht nur eine.«
    »Er hatte nicht den Hauch einer Chance.« Ich schob meinen Teller weg und trank einen Schluck Tee. Lauwarm schmeckte er noch schauderhafter. Der Duft des Espresso stieg mir in die Nase. »Kann ich auch einen haben?«
    Caro knallte die Tasse unfreundlich vor mich hin. »Wieso glaubst du das?«
    »Weil du dich in deiner Sehnsucht nach der einen, einzigen, weltumfassenden Liebe so gemütlich eingerichtet hast, dass du die Liebe nicht mal erkennen würdest, wenn sie vor dir stünde.«
    »Soweit eine Liebe vor einem stehen kann«, sagte Caro mit einem hässlichen Lächeln.
    Ich antwortete ihr nicht und trank meinen Espresso. Das hier war der eine Teil von Caro. Kalter Zynismus. Der andere Teil waren Wärme, Zärtlichkeit und Mitgefühl. Doch davon sah man im Augenblick so gut wie nichts.
    Merle und ich hatten beschlossen, ruhig abzuwarten. Irgendwann würden Caros verschüttete Qualitäten wieder zum Vorschein kommen. Bis dahin hieߟ es, Gelassenheit zu wahren. Wir hatten Zeit. Und Caro war es wert zu warten.
    »Wie wär€™s mit einem Besuch beim Reisebüro?«, fragte ich.
    Caro war sofort Feuer und Flamme. Wir machten das oft - holten uns alle möglichen Prospekte und planten abenteuerliche Reisen, die wir uns nicht leisten konnten. Vielleicht würden wir sie später wirklich einmal machen, wenn wir genug Geld hätten.
    Anfangs hatten Caro und Merle sich darüber gewundert, dass die Tochter der Bestsellerautorin Imke Thalheim (meine Mutter hatte
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