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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
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sie nie mehr verlassen. Aber dann hatte sie sich ins Gedächtnis gerufen, dass es Zeit war loszulassen. Weil nur derjenige, den man loslässt, wieder zu einem zurückkehrt.
    Tilo hatte auf sie gewartet und sie in die Arme genommen, und sie hatte gewusst, dass es an der Zeit war. Sie wollte endlich mit ihm zusammenleben.
    Er hatte für sie gekocht und das Essen warm gehalten. Dabei war er ein erbärmlicher Koch. Doch das lieߟ sie sich nicht anmerken, als sie mitten in der Nacht die pappigen Nudeln mit der versalzenen Schinkensahnesoߟe aߟ.
    »Ich glaube, ich liebe dich wirklich«, sagte sie jetzt zu seinem Rücken.
    Tilo hörte es nicht, denn er schlief. Sie strich ihm übers Haar, und da drehte er sich um, stöhnte im Schlaf behaglich auf und legte ihr den Arm auf die Hüfte.

    Imke lag ganz still und hörte seinen gleichmäߟigen Atemzügen zu.
     
    Heinz Kalbach schlief ebenfalls. Seine Frau saߟ am Fenster und betrachtete die Schatten im Zimmer. Der Hund lag auf seiner Decke und leckte sich die Pfoten.
    Sie waren beide hellwach. Zu viel war passiert.
    Rudi hatte eine Platzwunde über dem linken Auge davongetragen, ihr Mann Blutergüsse am Kinn, am Hals und an den Armen.
    Aber das Mädchen war in Sicherheit.
    Rita Kalbach lächelte in die Dunkelheit. Sie würde nie die ߜberraschung im Gesicht ihres Mannes vergessen, als er erfuhr, wem sie da geholfen hatten. Imke Thalheim war seine Lieblingsautorin. Er hatte jedes Buch von ihr gelesen.
    Vielleicht würden sie in einem ihrer nächsten Romane vorkommen?
    Nein. Rita Kalbach schüttelte den Kopf. Die Lebensgefahr, in der ihre Tochter geschwebt hatte, würde Imke Thalheim sicherlich nicht für ein Buch ausbeuten.
    Sie stand leise auf und ging hinaus. Der Hund folgte ihr.
    »Einen kleinen Extrahappen, Rudi?«
    Er wedelte mit dem Schwanz. Sie ging mit ihm hinunter in die Küche. Er war alt und er war tapfer. Er hatte sich eine kleine Mahlzeit zwischendurch verdient.
     
    Georg lag auf dem Rücken, die Hände unterm Kopf verschränkt, die Augen geschlossen.
    Von allen Seiten waren sie plötzlich auf ihn zugekommen.
    Sie hatten ihn angebrüllt.
    Er hatte den alten Mann losgelassen und sich zu ihnen umgedreht. Keiner schrie ihn mehr an. Keiner!
    Der Köter hatte sich wieder in sein Bein verbissen. Er war unglaublich zäh gewesen. Georg hatte ihm noch einmal einen Tritt verpasst, dass er durchs Zimmer gesegelt war.
    Das Mädchen hatte auf dem Sofa gekauert. Sie hatte eine Wolldecke oder etwas ߄hnliches vor der Brust zusammengepresst. Ihre Augen waren so groߟ gewesen und so voller Entsetzen.
    Die Polizisten hatten ihn überwältigt und ihm Handschellen angelegt. Und trotz der auf dem Rücken gefesselten Hände hatten sie ihn noch an beiden Armen festgehalten.
    »Jette«, hatte er gesagt. »Hab doch keine Angst vor mir.«
    Sie hatten ihn aus dem Wohnzimmer auf die Terrasse gezogen und der blöde Köter war hinter ihm hergelaufen und hatte wieder versucht, ihn anzugreifen. Einer der Polizisten hatte ihn sich geschnappt und weggesperrt.
    Auf dem Weg zum Wagen hatte Georg nur ihren Namen gerufen. »Jette! Jette! Jette!« Der Wald hatte seine Stimme verschlungen wie ein groߟes dunkles Tier.
     
    Als ich aufwachte, war ich traurig. Ich hatte keine Lust aufzustehen. Alles tat mir weh. Auߟen und innen.
    Ich hörte noch, wie er meinen Namen rief.
    Merle schien vor der Tür gestanden und gelauert zu haben. Sie kam herein, setzte sich zu mir aufs Bett und strahlte mich an. »Hunger?«
    Ich schüttelte vorsichtig den Kopf.
    »Auch nicht auf meinen Superduperkirschkuchen? Mit Sahne?«
    Ich fing wieder an zu weinen.
    »Rück mal.« Merle legte sich zu mir und nahm mich in die Arme. Sie fragte nichts, und ich war ihr dankbar dafür. Ich brauchte Zeit.
    Ich dachte an Gorg. Wo war er jetzt? Wie fühlte er sich?
    Er hatte Caro ermordet.
    Und er wollte mich ermorden.
    Warum konnte ich ihn nicht hassen?
    Ich hatte Angst vor ihm gehabt, schreckliche Angst. Und jetzt, wo ich in Sicherheit war, fühlte ich immer noch Liebe für ihn.
    »Das gibt sich«, murmelte Merle. »Das gibt sich, du wirst sehen.«
    Sie meinte etwas anderes, aber sie hatte Recht. Es würde sich geben mit der Zeit.
    Wahrscheinlich.
    Irgendwann.
     
     

Impressum
    cbt - C. Bertelsmann Taschenbuch
Der Taschenbuchverlag für Jugendliche
Verlagsgruppe Random House
Das für dieses Buch verwendete
FSC-zertifizierte Papier Super Snowbright
liefert Hellefoss AS, Hokksund, Norwegen.
1. Auflage
Sonderausgabe Mai
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