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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker
Autoren: Monika Feth
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Decke über die Beine. Dann schlug er dem Polizisten auf die Schulter und bot ihm einen Schnaps an.
    So etwas taten Menschen unter Schock. Sie taten die seltsamsten Dinge. Einmal hatte der Beamte eine Frau erlebt, die bei der Nachricht vom Unfalltod ihres Mannes in die Küche gegangen war, sich kalte Hühnersuppe auf einen Teller gefüllt und dann mit einer Gier gegessen hatte, als sei sie schon lange nicht mehr satt geworden.
    Der Name des Mädchens war Simone. Simone Redleff. Der ganze Ort nahm an ihrer Beisetzung teil. Es war die gröߟte Beerdigung, die man in Hohenkirchen je erlebt hatte.
    Der komplette zwölfte Jahrgang der Schule erschien. Die Mädchen hielten Taschentücher vor den Mund gepresst, die Jungen wischten sich die Tränen verstohlen mit dem Handrücken ab. Alle standen noch unter Schock. Der Tod war zu plötzlich gekommen, zu unerwartet. Doch das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war seine furchtbare, ausweglose Gewalttätigkeit.
    Man hatte oft von solchen Gräueltaten gehört, aber nur von fern. Wenn so etwas einem aus ihrer Mitte zustoߟen konnte, schienen die Leute zu denken, wo waren sie dann noch sicher?
    In der Trauerhalle spielten sie Popsongs, die eine Freundin der Toten ausgesucht hatte. Die Melodien erfüllten den Raum mit den flackernden Kerzen und den nach Tod riechenden Blumen mit einer verzweifelten Traurigkeit.
    Drauߟen schien die Sonne, als sei nichts geschehen.
    Aber nichts würde mehr sein wie zuvor.
     
    Der Mord an der achtzehnjährigen Simone Redleff hat, wie Hauptkommissar Bert Melzig von der Kriminalpolizei Bröhl bei der Pressekonferenz erklärte, groߟe ߄hnlichkeit mit zwei Morden, die vor einem Jahr in den norddeutschen Städten Jever und Aurich an jungen Mädchen begangen wurden. Beide Morde wurden bislang noch nicht aufgeklärt. Nähere Angaben wollte Melzig, um die Ermittlungsarbeiten nicht zu stören, nicht machen.
     
    Er war hundemüde. Trotzdem schlief er lange nicht ein. Er liebte diese Halbträume, die zwischen Schlaf und Wachen zu ihm kamen und ihn beschäftigten, aber er hasste und fürchtete sie auch. Im Augenblick fürchtete er sie.
    Krampfhaft bemühte er sich, an etwas anderes zu denken.
    Es gelang ihm nicht. Wie Bumerangs kehrten die Bilder zu ihm zurück.
    Er spürte die Erregung noch immer. Es gab kein Gefühl, das nur annähernd so stark war.
    Mädchen, dachte er, warum hast du mich getäuscht?
    Sie war nämlich bei genauem Hinsehen überhaupt keine Fee gewesen. Nicht einmal wirklich schön. Ihre Stimme hatte vor Angst piepsig geklungen wie die eines Vogels. Das hatte ihn rasend gemacht. Er hasste dünne Stimmen, denen man die Furcht anhörte.
    Und er hasste Angstschweiߟ.
    Ihre Hände waren ganz glitschig gewesen.
    Nicht, dass er tatsächlich an Feen geglaubt hätte. Er war ja kein Kind mehr. Auߟerdem hätte eine Fee mehr Macht, als ihm lieb sein konnte.
    Sie sollte sein wie eine Fee. Wie die Fee in dem Märchenbuch, das er als Kind besessen hatte. Schlank. Mit weichem, glänzendem Haar.
    Schön.
    Groߟe Augen. Die Wimpern lang.
    Einzelheiten sah man nicht von weitem. Die erkannte man erst, wenn man sich auf einen halben Meter gegenüberstand. Und dann war es meistens schon zu spät. Immer entdeckte er eine ߜberraschung, auf die er nicht gefasst war. Schon ein Leberfleck an der falschen Stelle konnte das Bild zerstören.
    Die in Jever hatte nach Rauch gerochen. Sie hatte ihm sogar eine Zigarette angeboten! Sie hatte kokett gelacht, den Kopf in den Nacken gelegt und den Rauch in die Luft geblasen und nicht geahnt, dass sie ihr Todesurteil längst unterzeichnet hatte.
    Stöhnend drehte er sich auf die andere Seite. Er war froh, dass er sich ein Zimmer in dem kleinen Gasthof gemietet hatte und nicht mit den andern beim Bauern wohnte. Das Zimmer war klein und hässlich und hatte an Stelle eines Bads eine so genannte Nasszelle, die so eng war, dass er sich darin kaum rühren konnte. Es lag unterm Dach und war abends aufgeheizt von der Sonne. Aus dem Fenster sah man auf den Kamin des Nachbardachs. Aber die Miete war erschwinglich, und er musste nicht auf seine Freiheit verzichten.
    Vor allem konnte er gefahrlos träumen.
    Seine Träume waren nicht für Mehrbettzimmer geschaffen. Die Unruhe, die ihn oft schweiߟgebadet aufschrecken lieߟ, war nur schwer zu verbergen. Er durfte auch nicht riskieren, im Schlaf zu reden.
    Nein, das hier war schon besser. Nahezu perfekt.
    Wenn er nur endlich einschlafen könnte.
    Er brauchte seinen
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