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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der ist zu fantastisch, um wahr zu sein. Und zu schrecklich.«
    »Zu schrecklich?« Ich sah ihn sehr ernst und sehr eindring-lich an. »Es betrifft mich, nicht wahr?« sagte ich dann.
    Großvater erwiderte meinen Blick schweigend, dann wandte er den Kopf ab und nickte.
    »Manchmal bist du mir unheimlich, Robert«, murmelte er.
    »Liest du meine Gedanken?«
    »Es war nicht sehr schwer zu erraten«, antwortete ich
    obwohl ich in diesem Moment selbst nicht so genau hätte sagen können, woher ich dieses Wissen bezog. »Ich hatte auch ein paar … sonderbare Erlebnisse«, fügte ich hinzu, als ich seinen fragenden Blick bemerkte.
    »So?« fragte Großvater. »Welche?«

    Ich war drauf und dran, ihm von meinen Alpträumen zu erzählen und warum eigentlich nicht? , als etwas geschah, das mich erst einmal daran hinderte: Jemand läutete an der Tür.
    Großvater fuhr erschrocken zusammen. »Wer kann das sein?«
    fragte er.
    Ich zuckte mit den Schultern. Besuch? Um halb ein Uhr morgens? Das war selbst für einen solch illustren Bekannten-kreis wie den unseren eine reichlich ungewöhnliche Zeit.
    Ich stellte mein Glas auf den Tisch und stand auf, aber mein Großvater hielt mich mit einer raschen Bewegung zurück.
    »Geh nicht«, bat er.
    »Wieso?« fragte ich. »Es muß wichtig sein, wenn jemand um diese Zeit «
    »Tu es nicht«, wiederholte er mit mehr Nachdruck.
    In diesem Moment läutete es zum zweitenmal. Und wer immer unten an der Tür stand, hielt den Finger jetzt wesentlich länger auf dem Klingelknopf. Ich schüttelte die Hand meines Großvaters ab und wandte mich endgültig um. Beim dritten Läuten würde der nächtliche Besucher den Klingelknopf vielleicht gar nicht mehr loslassen.
    Aber die unübersehbare Furcht meines Großvaters hatte doch ihre Wirkung nicht ganz verfehlt statt direkt zur Tür zu gehen, trat ich noch einmal an den Schreibtisch heran, öffnete die Schublade und nahm den kleinen Revolver heraus, der darin lag. Großvater blickte mich vorwurfsvoll an, aber er schwieg. Rasch verließ ich das Zimmer und stürmte die Treppe hinab.
    Als ich auf den untersten Stufen angelangt war, schellte es zum drittenmal und unser später Gast tat genau das, was ich befürchtet hatte: Diesmal ließ er den Daumen auf dem Knopf.
    Das normalerweise melodiöse Läuten der Klingel schrillte wie eine Alarmsirene durch das stille Haus, so laut, daß man es in der gesamten Nachbarschaft hören mußte.

    »Verdammt noch mal!« schrie ich. »Ich komme ja schon!
    Was soll das?« Wütend schob ich den Riegel zurück, riß die Tür auf und starrte verblüfft auf einen daumennagelgroßen, mattgolden schimmernden Krawattenknopf. Eigentlich war nichts Außergewöhnliches an ihm er war weder groß noch besonders geschmackvoll. Das einzig Auffallende war, daß er sich genau in Höhe meiner Augen befand. Er schmückte die Brust eines wahren Bergs von Mann, eines Kolosses von fast sieben Fuß Größe und geradezu absurder Schulterbreite. Sein Gesicht, das sich gut anderthalb Haupteslängen über mir befand, erinnerte mit den Hängebacken und den schweren Tränensäcken unter den Augen an eine mißgelaunte Bulldogge und wurde von einem streichholzkurz geschnittenen, feuerroten Haarschopf gekrönt.
    Sekundenlang starrte ich den Goliath verblüfft an, dann beschloß ich, die meisten Unfreundlichkeiten, die ich dem nächtlichen Ruhestörer an den Kopf hatte werfen wollen, lieber für mich zu behalten, und raffte mich nur zu einem wenigstens halbwegs verärgerten »Was gibt es denn?« auf.
    Goliath antwortete nicht, aber er blickte mich auf eine Art an, die mir gar nicht gefiel. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, hastig zurückzuweichen und nach der Waffe in meiner Tasche zu greifen. Ich hatte ohnehin so meine Zweifel, daß sie mir von großem Nutzen sein würde bei einem Burschen wie diesem wäre vielleicht eine Panzerfaust angebrachter gewesen.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?« fragte ich noch einmal.
    Goliath blinzelte, trat zwei Schritte von der Tür zurück und die Treppe hinunter wodurch sich unsere Gesichter wenigstens annähernd auf gleicher Höhe befanden und drehte sich um. Erst jetzt sah ich, daß er nicht allein war.
    Sein Begleiter war ein paar Meter vor dem Haus stehengeblieben, so daß ich ihn nur als schwarzen Umriß erkennen konnte. Einen Moment lang starrte ich den finsteren Schatten an, dann streckte ich entschlossen die Hand aus und schaltete die Außenbeleuchtung ein. Goliath blinzelte in das plötzliche grelle
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