Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Elfenpakt

Titel: Der Elfenpakt
Autoren: Herbie Brennan
Vom Netzwerk:
außerdem, so viel wusste Henry, eine Verbindungstür zum Wohnzimmer und zu dem Bad, das zum Schlafzimmer gehörte. Die erste Tür in der Diele führte ebenfalls ins Wohnzimmer – im Prospekt bezeichnet als »Salon«.
    Vorsichtig drehte Henry den Griff der Wohnzimmertür.
    Er versuchte, sich leise zu bewegen, aber inzwischen pochte sein Herz so laut, dass man es wohl die halbe Straße hinunter hören musste. Die Übelkeit machte sich jetzt nicht nur im Magen breit, sondern stieg ihm bis in den Hals hinauf. Das Schlimmste war, absolut sicher zu wissen, dass er seinen Vater tot oder sterbend auf dem Teppich vorfinden würde. Wenn er doch bloß irgendeine Waffe dabeigehabt hätte … Aber dafür war es nun zu spät.
    Der Salon war der größte Raum der ganzen Wohnung, voll von prätentiösen weißen Ledermöbeln und mit einer kurzen, breiten Wendeltreppe, die zu einer Klosterzelle hinaufführte, im Prospekt ›Gästeschlafzimmer‹ genannt. Vom Wohnzimmer führten Türen in die Küche, ins zweite Bad, in ein Arbeitszimmer, das sein Vater nie benutzte (wahrscheinlich weil es für einen Zwerg entworfen war), und in das »Hauptschlafzimmer«. Es gab eine Glastür, durch die man auf einen weiteren Balkon gelangte, diesmal ohne Feuerleiter, mit Blick auf den Kanal. Der Teppich, das sah Henry sofort, war sauber – und von einer Leiche war weit und breit nichts zu sehen.
    Henry seufzte und spürte, wie sein Herz wieder zur Ruhe kam. »Papa?«, rief er, die Stirn in Falten gelegt. Aber das Stirnrunzeln war nichts als eine blöde Angewohnheit – auf dem Boden lag schließlich niemand, und der Teppich zeigte auch keine Blutspuren. Und das Beste war vielleicht, dass es hier hell und freundlich war und keine finsteren Ecken gab, in denen Gestalten mit Scream-Masken lauem konnten. »Papa?« Wieder keine Antwort. Die Wohnung war wirklich leer.
    Henry war irgendwie erleichtert, obwohl er noch immer nicht kapierte, warum sein Vater die Tür offen gelassen hatte. Vielleicht wurde er langsam vergesslich? Zurzeit hatte er ja wirklich eine ganze Menge um die Ohren. Schließlich hatte seine Frau eine Affäre mit seiner Sekretärin. Und dann hatte sie ihn auch noch aus seinem eigenen Haus geworfen. (Beide behaupteten zwar, es sei in »beiderseitigem Einvernehmen« geschehen, aber Henry wusste es besser.) Dann hatte Henrys Mutter darauf bestanden, dass beide Kinder (obwohl Henry nicht wollte) bei ihr blieben. Wenn man mal richtig darüber nachdachte, hatte seine Mutter eine ganze Menge angerichtet.
    Henry entschied sich, noch eine Weile abzuwarten. Er konnte ja nicht einfach so weggehen und die Haustür offen lassen. Aber ins Schloss fallen lassen konnte er sie auch nicht, denn möglicherweise war sein Vater ja ohne Schlüssel losgegangen, vielleicht nur kurz zum Laden an der Ecke, um den Einbrechern eine Chance zu geben. Das Beste war also, sich erst mal einen Tee zu machen und zu warten. Und wenn sein Vater wieder da war, konnte er kurz Hallo sagen und dann gleich Hodge füttern gehen.
    Er fand die Teebeutel – sein Vater bewahrte sie aus irgendeinem Grund im Kühlschrank auf, in dem sonst nicht mehr viel war. Zum Aufgießen nahm er sich einen Becher mit der Aufschrift: Beam mich rauf, Scottie, hier unten gibt es kein intelligentes Leben. Weil es auch keine Milch gab, versuchte er es mit einem Teelöffel Milchpulver und trug den Becher dann ins Wohnzimmer hinüber. Henry setzte sich auf das alberne Ledersofa und starrte düster in seinen Tee. Das Milchpulver war ein Fehler gewesen. Es flockte aus und schwamm nun in Klümpchen an der Oberfläche. Henry überlegte, ob er das Risiko eingehen sollte, den Tee zu probieren, oder ob es besser wäre, sich noch mal neuen zu machen.
    Er war immer noch zu keinem Entschluss gekommen, als die Tür zum Bad sich öffnete und eine junge Frau heraustrat. Ihre Haare waren nass, ihre Beine nackt, und sie hatte ein Handtuch um sich geschlungen.
    Als sie Henry erblickte, schrie sie auf.

 
DREI
     
    D as Labyrinth des Gewürzmeisters befand sich auf dem Boden eines Kellers unterhalb des Ladens. Blue war von den Ausmaßen überrascht, sie hatte es sich größer vorgestellt. Aber sie ging davon aus, dass er schon wusste, was er tat. Madame Cardui hatte erzählt, dass der Gewürzmeister diese Kunst – meist im Verborgenen – bereits seit zwei Generationen ausübte.
    Sie sah sich in der Kammer um. Die Labyrinthspirale bestand aus kleinen aufgestellten Bergkristallquadern. Am Eingang thronte eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher