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Der Eisplanet

Der Eisplanet

Titel: Der Eisplanet
Autoren: Edmund Cooper
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entzwei.
    Suzy Wu erwachte glücklicherweise nie mehr. Die erste Explosion hatte sie – merkwürdig, aber wahr – nicht aufgeschreckt. Die zweite Explosion unterbrach die Sauerstoffzufuhr ihrer Kabine. Suzy starb, während sie von einem wundervollen Marsfrühling träumte.
    Die Versorgungssysteme der zwanzig Kinder mit dem Intelligenzquotienten von Genies und der beiden Lehrerinnen wurden durch die Schäden, die die zweite Explosion verursachte, sofort außer Betrieb gesetzt. Aus der Kammer, in der sie aufgebahrt lagen, entwich die Luft. Ohnehin in halbtotem Zustand gewesen, waren sie bald klinisch tot. Der Unterschied war unwesentlich.
    Das abgetrennte Heck der Dag Hammarskjöld erhielt durch die Explosion im Maschinenraum einen Rückwärtsschub, der es schließlich in die Sonne tragen sollte. Der vordere Teil des Raumschiffs, der die Totenfracht enthielt, trieb über die Umlaufbahn des Mars hinaus bis an die äußersten Grenzen des Sonnensystems.
     

 
3.
     
    Da waren Träume und Alpträume. Manchmal kam marternder Schmerz. Er wollte schreien. Aber wie hätte er es tun sollen, da er keinen Mund besaß, kein Gesicht, keine Glieder, keinen Körper? Auch das gehörte zu den wiederkehrenden Alpträumen.
    Häufig lief er davon. Nicht auf den Beinen, denn er hatte keine. Aber mit seinem Bewußtsein. Er verschwand in andere Dimensionen, in lange verlorene Falten von Zeit und Raum am Rande der Wirklichkeit. Er irrte durch die immateriellen Tunnel der Vergangenheit.
    Er entsann sich, blaue Himmel gesehen zu haben. Nicht oft, aber bisweilen. An seinem siebten Geburtstag hatte es klaren, blauen Himmel sogar für drei Stunden gegeben. Sonnenlicht hatte die Welt in Gold getaucht, die Farben veränderten sich, wirkten lebendiger. Er erinnerte sich, daß Vögel gesungen hatten. Und wie sie sangen während dieses kurzen Rückzugs von Feuchtigkeit und Nebel!
    Er hatte einen Geburtstagskuchen und ein Geschenk bekommen, ein schönes, maßstabgetreues Modell des amerikanischen Raumschiffs Mayflower, das die ersten Siedler zum Mars transportiert hatte. Am Abend ...
    Wie ein Bumerang kehrte er zurück zur Erinnerung an jene alptraumhafte Erfahrung, die anscheinend Bestandteil einer schrecklichen Realität war. Es mußte Wirklichkeit sein, denn es schmerzte sehr. Schmerz in Phantomgliedern, Schmerz in einem Phantomkörper. Verzweifelt bemühte er sich, die Augen zu öffnen, um etwas zu sehen, jemand zu sehen. Er wünschte sich verzweifelt, schreien zu können. Er war allein in schwarzer, ewiger Pein. Ich habe mich schwer versündigt, redete er sich ein, und dies ist die Hölle. Dies schien sich als einzige vernünftige Erklärung für seinen entsetzlichen Zustand anzubieten. Aber er wußte nichts von der Art seiner Sünden. Noch war er sicher, daß diese Hölle, in der er sich befand, tatsächlich jene Hölle der pervertierten christlichen Mythologie war.
    Außerdem war er nicht ganz allein.
    Wenn Sie mich hören können, donnerte die Stimme, dann denken Sie, daß Sie mich hören. Denken Sie die Worte: Ja, ich höre. Strengen Sie sich an. Es war keine ihm bekannte Sprache, aber eine, die er seltsamerweise verstand. Die Stimme erschreckte ihn. Entsetzt zog er sich zurück, floh erneut.
    Diesmal auf den Mond, zum kürzlich fertiggestellten Raumhafen Lunaport II im mächtigen Krater Kopernikus. Er war Kadett und hatte gerade seinen ersten praktischen Raumflug absolviert. Die Belohnung bestand aus einem winzigen silbernen Stern, den man an die linke Brusttasche heftete. Endlich ein richtiger Raumfahrer geworden, empfand er ungeheuren Stolz.
    Und kam zurück zu dem Ort, der keiner war, sondern nur ein endloser Alptraum, in dem es Erinnerungen an den Schimmer des Erdglobus gab, wie man ihn vom Krater Kopernikus aus sah, Erinnerungen an die weiche, fahle Haut und die großen, dunklen Augen der Mondmädchen. Weil kein Ausweg existierte, kehrte er dorthin zurück, wo er weder schlafen noch wachen konnte, wo die Dunkelheit sich manchmal in Schmerz verwandelte, in Lärm und Licht, wo er allein war, wo dennoch bisweilen fremde Stimmen zu ihm flüsterten oder ihn anbrüllten, in fremdartigen Worten, die er jedoch verstand.
    Seien Sie geduldig, wisperte eine Stimme. Wir wissen, daß Sie leiden. Wir versuchen Ihnen zu helfen.
    Haben Sie Geduld, brüllte sie. Wir wissen, daß sie leiden. Wir bringen alles in Ordnung. Die Stimme hallte durch sein Bewußtsein wie durch tiefe Schluchten.
    Seien Sie geduldig, flüsterte es wieder. Wir mußten
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