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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05
Autoren: Stephen R. Donaldson
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mindesten. Nur Findail war nirgends zu sehen. Er war vor der Krise von Covenants Magie geflohen. Linden war es gleichgültig, ob er jemals wiederkehrte.
    Steifgliedrig schleppte Linden ihre ganze Kläglichkeit zu Covenant. Sie kniete sich zwischen seine Beine, blickte ihn an, versuchte Wörter durch ihre Kehle zu zwängen. Du mußt zurück! Aber sie konnte nicht sprechen. Es war zu spät. Sein von Machtfülle gehetzter Blick verriet ihr unmißverständlich, daß er bereits wußte, was sie zu sagen hatte.
    »Ich kann's nicht.« Seine Stimme wisperte in die Dunkelheit wie das Rieseln von Asche. »Nicht mal, wenn ich's über mich bringen könnte. Das Land verlassen. Lord Foul machen lassen, was er will.« Sein Gesicht war im Düstern nur ein verwaschener Fleck, ein fahler Klecks, in dem es keinen Funken Hoffnung mehr gab. »Es erfordert zuviel Kraft. Ich würde den Bogen der Zeit zerbrechen.« Ach, Covenant! Linden vermochte nichts mehr für ihn zu tun.

27
     

DER LANGE GRAM
     
     
    Linden konnte die Gefährten durch die Düsternis kaum erkennen: Blankehans und den toten Seeträumer; die Erste und Pechnase; Hohl und Cail. Sie umstanden sie wie dunklere Schatten inmitten der Dunkelheit. Aber sie achtete nur auf Covenant. Sein Anblick, wie er reglos am Rande des Todes auf der Erde lag, das Messer in der Brust, war ihr noch so deutlich gegenwärtig, als wäre er ihren Augen mit Säure eingeätzt worden. Sie sah das Gesicht – die von Schmerz heftig verzerrten Gesichtszüge, die wie wächserne, fahle Haut – deutlicher vor sich als seine abgehärmte Miene, die sie hier sehen konnte. Die nur verschwommen erkennbaren Umrisse wirkten furchtbar ungenau, als wären die Knochen darunter gebrochen – als wäre Covenant so zerbrochen wie das Land, das Lord Foul ihm zurückgegeben hatte, zerbrochen wie Joan. Alle Gefährlichkeit war aus ihm gewichen.
    Doch die Gefährten durften auf keinen Fall bleiben, wo sie sich befanden. Eine stärkere Erschütterung als bisher durchbebte den Fels, als wäre die Schlange des Weltendes nahezu hellwach geworden. Ein Hagel von Steinen löste sich aus den Felswänden, erfüllte die Luft mit hellen Echos. Es blieb nur wenig Zeit. Vielleicht zuwenig. Behutsam beugte Cail sich über Covenant. »Komm, Ur-Lord! Diese Insel mag nicht mehr lange überdauern. Wir müssen uns eilen, um uns zumindest das Leben zu bewahren.«
    Linden begriff. Die Schlange beruhigte sich wieder; aber selbst diese unbedeutenden Regungen konnten die Insel praktisch jeden Moment zum Zerbersten bringen. In jeder anderen Beziehung hatte Linden versagt; doch wenigstens Covenants Not befand sich in ihrer Reichweite. Linden stand auf, streckte Covenant die Hände entgegen, um ihm zu helfen.
    Er verweigerte sich ihrem Hilfsangebot. Für einen Moment machte Finsternis seine Miene völlig unkenntlich. Als er sprach, klang seine Stimme vor Niedergeschlagenheit gedämpft. »Ich hätte die Verbindung unterbrechen sollen ... ehe du die Gelegenheit erhalten hast, dies alles zu verstehen. Aber ich hatte nicht den Mut, dich einfach gehen zu lassen. Ich könnte es nicht ertragen.« Dennoch rührte er sich nun. Allem zum Trotz nahm er Rücksicht auf die Zwangslage der Gefährten. Gequält und voller latenter Leprose, zog er sich an Cail hoch, bis er aufrecht auf den Beinen stand.
    Ein weiterer Erdstoß durchbebte die Höhle. Doch Linden blieb aus eigener Kraft im Gleichgewicht. Die Erste und Pechnase eilten zu Blankehans. Mit fürsorglicher Entschiedenheit drängten sie ihn zum Aufstehen. Er mochte nicht von seinem Bruder lassen. Indem er Seeträumer auf den Armen trug, ließ er sich von den anderen Riesen zum Felssims führen, Covenant und Linden hinterdrein. Schweigsam stapften die Gefährten aus dem Grab, in dem all ihre Träume geendet hatten.
    Wiederholt brachten neue Beben sie während des anstrengenden Aufstiegs in Gefahr. Das Felssims zitterte, wie um die Gefährten abzuschütteln und in die Tiefe zurückzustürzen. Unterirdische Schwingungen ließen den Fels schlottern wie wundes Fleisch. Ab und zu lösten sich Gesteinsbrocken aus den Felswänden, verursachten ein scharfes Bersten und Prasseln mit starkem Hall, der durch den Schacht aufwärtsdröhnte wie die Echos von Klagegeheul der Trauer. Aber Linden empfand keine Furcht. Sie nahm die Mühsal des Aufstiegs kaum zur Kenntnis. Ihr war, als könne sie die letzten Blutstropfen zählen, die rings um das Messer in Covenants Brust hervorsickerten.
    Als sie die Kuppe des Bergkegels
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