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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir
Autoren: Patrycja Spychalski
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findet sie das gut. Aber dann traue ich mich doch nicht, weil ich Angst habe, es könnte kitschig klingen.
    »Ich finde es jedenfalls gut, was du machst. Vielleicht ist das mit dem Filmen genau dein Ding.« Sie streicht mir über den Rücken.
    »Vielleicht.« Ich will nicht zu voreilig sein, ich kenne mich selbst ja auch ein bisschen und weiß, dass ich schnell von etwas begeistert sein kann und es dann wieder fallen lasse. Obwohl es sich diesmal wirklich gut anfühlt.
    Mama und ich trinken noch schweigend unseren Kaffee aus und dann geht sie zu ihrem Yoga-Kurs in der Volks hochschule. Papa ist zu Media Markt gefahren, um sich Plattenspieler anzuschauen, also bleibe ich alleine und traue mich nicht aus dem Bett, weil mir ja noch endlose Stunden bleiben, bis ich endlich aus dem Haus kann. Ich mache das Radio an und zappe zwischen den Sendern hin und her, so werde ich keinen klaren Kopf bekommen.
    Also stehe ich doch auf und esse eine Schüssel Müsli, später werde ich bestimmt nichts mehr runterkriegen können.
    Ich stelle mich vor meinen Kleiderschrank, der jetzt farblich sortiert ist, und suche nach dem richtigen Outfit. Milo soll nicht denken, ich hätte mich für ihn aufgedonnert. Es muss also eine einfache Jeans sein und ein ganz schlichtes Shirt, das aber dafür hundertprozentig sitzt. Ich gehe duschen und tusche mir vor dem Spiegel dezent die Wimpern. Dann klaue ich Mama aus ihrem Schränkchen ihren blutroten Nagellack und lackiere mir die Nägel. Während ich sie trockenpuste, befinde ich, dass es doch zu viel ist, und mache den Lack wieder mit dem stinkenden Entferner ab.
    Ich zappe durch die Fernsehsender, räume die Spülmaschine ein, blättere Kochbücher durch, suche nach einem schönen Dessert – und da ist es noch nicht einmal zwölf. Verflixte Zeit!
    Dafür kommt Mama vom Yoga wieder.
    »Frieda, Schatz, vor dem Haus steht ein gut aussehender junger Mann und wartet auf dich.« Sie stellt ihre Tasche auf dem Boden ab und sieht mich überaus neugierig an.
    Oh mein Gott! Milo! Was macht er hier? Woher weiß er, wo ich wohne? Warum hat sich unsere Verabredung geändert? Ist er vielleicht gekommen, um abzusagen? Ruhig, Frieda, ganz ruhig.
    »Was hat er gesagt?« Mama soll nicht merken, wie aufgeregt ich bin.
    »Er hat gesagt: Entschuldigung, könnten Sie bitte Frieda fragen, ob sie kurz runterkommt?« Mama grinst über beide Ohren.
    »Woher wusste er, wer du bist?«
    »Er muss geraten haben, hat ja nicht jeder so eine knackige Mutter, oder?« Sie kichert.
    »Krass. Und was mach ich jetzt?« Ich stehe auf, schiebe polternd den Stuhl über die Fliesen und laufe um den Tisch.
    »Runtergehen zum Beispiel.«
    »So?« Ich schaue an mir runter.
    »Du siehst sehr hübsch aus.« Sie sieht mich an, packt mich an den Schultern, drückt mir einen Kuss auf die Stirn und verschwindet im Bad, um zu duschen.
    Ich laufe in den Flur, werfe noch einen Blick in den Spiegel, gucke mich hilflos um, ob ich nicht etwas mitnehmen muss. Meine Tasche vielleicht, vorsichtshalber. Dann trete ich aus der Wohnung, warte einige Sekunden, damit meine Atmung sich beruhigt, wische meine feuchten Hände an der Jeans ab und stolpere fast die Treppe runter. Vorsichtig mache ich die Haustür auf und trete mit einem etwas krampfigen Lächeln auf den Lippen nach draußen.
    An der Hauswand gegenüber steht Jeffer. Er wirft hastig seine Zigarette zu Boden und wedelt den ausgepusteten Rauch weg. »Oh Mist. Ich rauche eigentlich nicht mehr. Ich wollte, ich dachte, du brauchst vielleicht länger … ich wollte nicht rauchen, wenn du kommst … also … Hi.«
    Ich kann nichts sagen, ich bringe kein Wort hervor.
    Er macht einen Schritt auf mich zu, überlegt es sich dann aber anders, macht den Schritt wieder zurück und steckt die Hände in die Hosentaschen, ohne den Blick von mir abzuwenden.
    Ich fühle Wärme in meinen Wangen aufsteigen. Tausende Fragen jagen durch meinen Kopf. Wo warst du? Wo kommst du her? Warum hast du dich nicht verabschiedet? Warum hast du dich nicht gemeldet? Was zur Hölle machst du hier? Aber ich stelle keine von ihnen, sondern sehe ihn bloß ratlos an. Mein Puls rast. Erinnerungen an die Zeit mit Jeffer brechen plötzlich über mich herein.
    Ich atme durch und betrachte ihn. Seine Haare sind länger geworden. Er trägt sie jetzt zum Zopf gebunden.
    »Ich weiß gar nicht, ob du mich sehen willst. Ich meine … ich bin direkt vom Zug hierher. Ich habe nicht lange darüber nachgedacht. Hätte ich vielleicht machen sollen. Oh
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