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Der einaeugige Henker

Der einaeugige Henker

Titel: Der einaeugige Henker
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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spüren.«
    »Meine ich auch.«
    Aufgeben und den Spiegel wieder an die Wand hängen, das wollte ich noch nicht. Wenn ich mir etwas vorgenommen hatte, dann wollte ich es auch bis zum Ende durchziehen. Aber das war für mich hier nicht das Ende.
    Der Pfarrer schaute mich an. Er wartete wohl auf einen Kommentar, dann wollte er mich ansprechen, aber er ließ es bleiben, weil er sah, dass ich etwas anderes tat.
    Ich holte mein Kreuz hervor.
    Es hatte mir den ersten Hinweis gegeben, und jetzt hoffte ich darauf, dass es mir auch einen weiteren gab.
    Henry Hope hörte ich zischend atmen und dann auch flüstern: »Was ist das denn?«
    »Ein Kreuz.«
    »Whow! Das ist wunderschön. Das ist ja einmalig. Ein – ein – Kleinod, würde ich sagen.«
    »Ja, das ist wohl so.«
    Ihm fielen keine weiteren Worte mehr ein. So schwieg er und schaute zu, was ich tat.
    Bisher hatte ich den Spiegel auf seiner Fläche nur mit den Händen berührt. Das wollte ich jetzt ändern. Meine Hände waren natürlich auch mit dabei, aber vor allen Dingen das Kreuz, das Kontakt mit der Spiegelfläche bekommen sollte.
    Ich blieb weiterhin in meiner knienden Position und streckte beide Arme aus. In der rechten Hand hielt ich das Kreuz, die linke war frei. Mit beiden Händen fuhr ich über die Fläche hinweg und spürte, dass sich etwas aufbaute.
    Ich merkte es auf meinen Handrücken, denn dort richteten sich die kleinen Härchen auf. Es war ein regelrechtes Kribbeln, das an meinen Händen entlang lief und auch die Unterarme erreichte.
    Noch hatte mein Kreuz keinen Kontakt mit der Spiegelfläche gehabt, doch das änderte sich, denn Sekunden später glitt es darüber hinweg, und ich spürte auch den leichten Druck oder Widerstand am unteren Ende des Kreuzes.
    Es gab keine Lichtblitze, die den Weg verfolgten. Ich sah nichts Helles, was über die Spiegelfläche gehuscht wäre, und doch geschah etwas mit dem Gegenstand.
    War der Spiegel bisher blank gewesen, so trübte er jetzt ein. Es war ein kleines Phänomen. Tief im Innern schienen sich Wolken gebildet zu haben, die jetzt in die Höhe krochen und sich an der Oberfläche verteilten.
    Es war einfach fantastisch, und ich konnte nur am Rand hocken und zuschauen. Die gesamte Spiegelfläche trübte sich ein, und Sekunden später war nichts mehr zu sehen, wenn wir in sie hineinschauten. Nicht mal die Andeutung eines Spiegelbilds …
    ***
    Der Pfarrer schaute mich an, aber seinen Blick konnte ich beim besten Willen nicht analysieren. Er schüttelte zugleich den Kopf und hauchte: »Was war das?«
    »Ich weiß es nicht. Es war eine fremde Kraft oder eine andere Magie, die hier eingegriffen hat.«
    »Echt?«
    »Ja, ich denke schon.«
    Der Pfarrer warf einen Blick zur Decke, als wollte er in den Himmel schauen, um sich für irgendetwas zu bedanken. Dann senkte er den Kopf wieder.
    »Ich mag das Wort Magie nicht. Es hat einen zu schlimmen Beigeschmack.«
    »Ja, aber es gibt nicht nur eine negative Magie. Auch eine positive, wie wir jetzt gesehen haben. Mit diesem Spiegel ist etwas passiert, das sehen Sie mit dem bloßen Auge.«
    »Ja. Aber was?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Es hat eine Veränderung gegeben. Es hat sich möglicherweise ein Tor geöffnet, durch das etwas in diese Welt gelangt ist, das nicht hierher gehört.«
    »Ja, stimmt.« Der Pfarrer lachte. »Das habe ich auch gesagt, ohne zu wissen, ob es stimmt.«
    »Das werden wir sehen.«
    Beide schwiegen wir. Wir saßen uns gegenüber und schauten auf die Spiegelfläche, die trübe geworden war. Da hatte sich das andere ausgebreitet, und das war jetzt erstarrt.
    Warum blieb die Fläche trüb? Wollte sie etwas verbergen? Sollten wir etwas nicht sehen dürfen? Da schoss mir schon einiges durch den Kopf, aber eine Lösung hatte ich bisher noch nicht gefunden. Wir mussten weiterhin abwarten und schauen, ob es eine erneute Veränderung gab.
    Doch der Spiegel blieb normal. Oder so, wie er jetzt war. Wenn ich hineinschaute, sah ich kein Spiegelbild mehr, aber danach suchte ich auch nicht, denn mich interessierte das Geheimnis des Spiegels. Es gab eines, davon war ich überzeugt.
    Ich dachte darüber nach, ob ich es noch mal mit dem Kreuz versuchen und es nicht nur bei der Berührung belassen sollte, sondern mit einer Aktivierung.
    Das konnte gut gehen, musste aber nicht …
    Ich war unschlüssig und dabei in Gedanken versunken, als ich die Stimme des Pfarrers hörte. Er war so aufgeregt, dass er sogar stotterte.
    »Da – da – tut sich was
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