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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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seltsamer Anblick präsentierte sich der Menge. Eine verschleierte Frau, in schlichtes Schwarz gekleidet, kam auf einem grauen Esel geritten, der von einem Mann in der langen, pupurroten Robe der Ärzte geführt wurde. Mit ernster Miene näherten sie sich dem Podest, auf dem William als Turnierrichter saß. Wie ein Lauffeuer gingen wilde Gerüchte durch die Menschenmassen. Doktor Moss führte den Esel an dem unbekannten Ritter vorbei, bis er unmittelbar vor William und der Königin stand. Mit einer tiefen Verbeugung fragte er, ob es erlaubt sei, den Turnierrichter- zu sprechen, um ihn um eine Gunst für die verschleierte Lady zu bitten.
    Die Zuschauer waren begeistert. Schon wieder wurde ihnen ein Theaterspiel geboten. Sie spitzten die Ohren, um ja kein Wort zu verpassen. William bedeutete Doktor Moss mit einem Nicken, näher zu treten, und erkundigte sich nach dem Namen der Lady. »Sir, das ist nicht möglich. Ich kann Euch nur so viel sagen, dass sie in den vergangenen Tagen unter dem Schutz der Abtei stand und nun Eure Hilfe und die der Königin erbittet.«
    Nur die Menschen in den beiden angrenzenden Reihen konnten ihn hören, aber die Spannung, die von der reglosen, schwarzen Gestalt auszugehen schien, ließ die Menge verstummen.
    William sah hilflos zur Königin, die starr und unsicher dasaß. Dann warf er einen Blick auf Edward, der sein Streitross näher an die Lady dirigiert hatte, ohne jedoch sein Visier hochzuklappen. Auch er schwieg.
    »Sir, wie können wir dieser Lady helfen?«, rief William laut.
    Moss sah zu der verschleierten Gestalt, die ihm einen versiegelten Umschlag reichte. Er nahm ihn und gab ihn an William weiter, der ihn mit einer Verbeugung entgegennahm. »Sir, meine Herrin bittet Euch, diesen Brief laut vorzulesen.«
    Wieder warf der Kammerherr einen verzweifelten Blick in Edwards Richtung. Nach kurzem Zögern forderte ihn der behelmte König mit einem Nicken auf, den Brief zu verlesen. Hilflos saß die Königin, blass vor Angst und Wut, auf ihrem Ehrenplatz und biss sich auf die Lippen. Sie wusste ganz genau, wer diese Frau dort unten war. Es war Anne, ihre einstige Kammerjungfer.
    Es herrschte eine vollkommene Stille, als William den Umschlag brach und zu lesen begann. »Gnädige Königin und Dame des unbekannten Ritters. Ich, Eure unglückliche Dienerin, bitte Euch um Hilfe und Unterstützung für mich und die meinen. Ich habe bis jetzt den Schutz der Kirche genossen, doch nun muss ich Eure Hilfe erbitten, um meinen sicheren Zufluchtsort und dieses Königreich für immer zu verlassen.«
    Das Pferd des Königs wurde unruhig, als es ein abruptes Ziehen an seinen Zügeln spürte. Anne saß in stolzer Haltung auf ihrem Esel, und niemand sah den Schweiß, der an ihrem
    Leib herunterrann. Das Atmen fiel ihr schwer, so schrecklich schwer.
    »Ich möchte meinen Namen nicht offenbaren, doch ich kann versichern, dass es ein ehrenhafter Name ist und dass mein einziges Vergehen in der Tatsache meiner Geburt liegt ...« Die Menschen stießen ein mitfühlendes Aaah aus. »Euer König hat mir einst versprochen, dass ich alles bekäme, worum ich ihn bitte, wenn ich an dem heutigen Tag zu ihm käme. Ich bitte Euch also darum, dass meine Freunde nichts befürchten müssen, weil sie sich für mich eingesetzt haben, und dass sie von heute an unter seinem persönlichen Schutz stehen. Euer Ritter hat nur eine einzige Bedingung gestellt, und ich sage hier, in aller Öffentlichkeit, dass ich seine Bedingung nicht erfüllt und damit das Recht auf seine Gnade verwirkt habe. Doch bei seiner Ritterehre mag er es für recht erachten, dass mir diese Hilfe zusteht und ich dieses Königreich in Frieden verlassen kann.«
    Es war gesagt. Es gab kein Zurück mehr - weder für Anne noch für den König.
    Die Königin überlegte fieberhaft, dann wandte sie sich an den unbekannten Ritter. Ihre Stimme klang glasklar, doch es schwang ein eisiger Unterton mit. »Edler Ritter, Ihr scheint dieser Lady einen Gefallen zu schulden. Ich gebe Euch die Erlaubnis zu sprechen. Ihr mögt ihr antworten.«
    Der Ritter schwieg einen Augenblick, ehe er unvermittelt in Gelächter ausbrach. »Gütige Königin, ich habe dieser Lady in der Tat mein Wort als Ritter gegeben. Sie soll meinen Schutz erhalten und ihre Freunde ebenso. Ich verpflichte mich, dafür zu sorgen, dass sie von nun an frei und in Wohlstand leben können. Und da diese Lady die Freiheit ihrer Freunde mit ihrem Opfer teuer erkauft hat, werdet Ihr als ihre Königin nicht weniger

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