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Der Durst der Toten

Der Durst der Toten

Titel: Der Durst der Toten
Autoren: Vampira VA
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sich wie eine Fotografie, die seine Seele selbst aufgenommen hatte.
    Vielleicht, dachte er, nein, bestimmt sogar hätte sie eine große Pianistin werden können. Sie hätte Konzerte gegeben im Sydney Opera House, das Publikum hätte sie gefeiert - hätte Bridget Secada nicht ihr viel zu kurzes Leben lang hart arbeiten müssen, um für ihren Sohn zu sorgen, den sie allein großziehen mußte, nachdem ...
    Darren schluckte hart. Warum wußten Söhne die Verdienste ihrer Mütter erst dann zu würdigen, wenn es zu spät war? Warum hatte er seiner Mutter kein einziges Mal gesagt, daß er ihr dankbar war für alles, was sie ihm zuliebe getan - und worauf sie seinetwegen verzichtet hatte?
    »Mom ...?«
    Er ahnte ihr Nicken mehr, als daß er es wirklich sah. Tränen trübten seinen Blick.
    »Ich ...«, setzte er an, schluckte abermals und sagte dann nur: »Danke, Mom.«
    Sie verstand ihn. »Schon gut, Darling.«
    Er küßte ihre Hand.
    »Darren?«
    »Ja, Mom?« Er drückte ihre Hand ein klein wenig fester und schaute zu ihrem Gesicht auf. Zerbrechlich sah es aus, wie von Künstlerhand aus Porzellan modelliert, die Schatten und Linien darin des trüben Lichtes wegen wie auf einer Kohlezeichnung schraffiert. Die Nase stach schmal und spitz daraus hervor.
    Ihr rasselnder Atemzug schnitt Darren wie ein Sägemesser in die Brust.
    »Darren«, fuhr sie hörbar angestrengt fort, »ich habe dich nicht rufen lassen -«, wieder holte sie mühsam Luft,»- damit du mir beim Sterben zusiehst.«
    »Mom! Was redest du da?« entfuhr es Darren erschrocken. »Du wirst nicht -« Die Worte schmeckten schal und bitter in seinem Mund.
    »Lügner«, tadelte Bridget Secada ihren Sohn milde. Sie wandte den Kopf um eine Winzigkeit und sah ihn an. Ihre Augäpfel wirkten auf eigenartige Weise runzlig wie wirkliche Äpfel, die zu lange gelegen hatten, und sie waren von der gleichen Farbe wie das matte Tageslicht, wie altes Gold.
    Sekundenlang schwiegen sie; Darren, weil ihm jedes denkbare Wort das falsche schien, seine Mutter vor Entkräftung.
    Sie war es schließlich, die das drückende Schweigen brach. »Darren, ich muß dir etwas sagen -«
    »Schscht«, machte er. »Sag nichts, Mom, ruh dich aus.«
    Wieder lächelte sie, und er bewunderte sie allein dafür, daß sie lächeln konnte - jetzt, da ... die Schatten im Zimmer sich zu verändern, tiefer und kälter zu werden schienen.
    »Ich muß, Darren. Ich muß es endlich tun. Vielleicht hätte ich es schon viel früher tun sollen. Und vielleicht wirst du mich hassen -für mein bisheriges Schweigen in dieser Sache, oder dafür, daß ich es dir jetzt doch sage.«
    »Mom, wovon sprichst du?« Darren war entsetzt und zutiefst be-unruhigt. »Wie könnte ich dich hassen? Mein Gott, du ...«
    Mit einem Schließen ihrer Augenlider gebot Bridget Secada ihrem Sohn, still zu sein.
    »Hör mir zu, Darren. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich spüre es -«, sie hielt kurz inne und fügte dann mit tiefem Blick hinzu, »- und du spürst es auch.«
    Darren schlug die Augen nieder. Ja, er spürte es. Spürte, wie die Wärme aus der Hand seiner Mutter floh, irgendwohin.
    »Dein Vater, Darren -«
    Unweigerlich ruckte Darrens Kopf wieder hoch. Warum erwähnte sie ausgerechnet jetzt seinen Vater? In all den Jahren hatten sie kaum über den Mann gesprochen, den Darren nie kennengelernt hatte, weil er seine Mutter schon vor der Geburt ihres Sohnes verlassen hatte und wenig später im Ausland bei einem Unfall ums Leben gekommen war.
    »Darren, dein Vater ist nicht tot!«
    Stille. Endlose Sekunden lang.
    Dann ein keuchender Atemzug von Darren, und darin die Worte, fassungslos: »Mein Vater? Nicht tot? Aber warum hast du mir dann immer gesagt, er sei gestorben?«
    »Es war ein Fehler, vielleicht . Ich dachte, es wäre zu deinem Besten. Aber heute glaube ich, daß ich nicht das Recht dazu hatte, dich zu belügen. Bitte verzeih mir, Darren. Kannst du das?«
    Im allerersten Moment wollte Darren den Kopf schütteln, ganz instinktiv. Dann aber beherrschte er sich. Mußte er seiner Mutter nicht alles verzeihen, nachdem er in all den Jahren nicht einmal Danke gesagt hatte?
    »Natürlich, Mom.« Er sah sie an. »Aber warum hast du mich -«, das Wort schien ihm zu hart, wollte ihm nicht von den Lippen, und so umschrieb er es, »- mir nicht die Wahrheit gesagt?«
    Mühsam hob Bridget Secada die Schultern. »Ich wollte dich beschützen ... davor, so zu werden wie dein Vater.« »Das verstehe ich nicht. War er denn ein ... ich weiß nicht,
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