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Der Duft

Titel: Der Duft
Autoren: Aufbau
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Mutter sei eine Prüfung gewesen.
     Für Marie aber war es eine zu grausame Prüfung. Mit einem Gott, der einem solche Prüfungen stellte – der eine ganze Klasse
     von Schulkindern auslöschte, möglicherweise, weil sie der falschen Religion angehörten –, mit so einem Gott wollte sie nichts
     zu tun haben. Rafael würde es irgendwie selber schaffen müssen.
    An Schlaf war nicht zu denken, also stand sie auf und |406| ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Zu ihrer Überraschung traf sie dort Irene.
    »Ich habe Kaffee aufgesetzt«, sagte sie. »Hab mir gedacht, dass du bestimmt nicht schlafen kannst.«
    Marie nahm dankbar eine Tasse an.
    »Eine schreckliche Sache«, sagte Irene. »Bist du sicher, dass nicht doch dieser Terrorist dahintersteckt?«
    »Nein«, sagte Marie. »Aber ich glaube es einfach nicht.«
    »Aber wer dann? Meinst du wirklich, irgend so ein ausländischer Geheimdienst macht Jagd auf deutsche Staatsbürger, dazu noch
     mitten in Berlin?«
    Marie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber der Mann vom Verfassungsschutz hat gesagt, es gibt hier mehr Agenten als
     zu Zeiten des Kalten Kriegs.«
    »Agenten vielleicht, aber die knallen doch nicht einfach irgendwelche Leute ab.« Irene errötete, als ihr klar wurde, über
     wen sie redete. »Entschuldige, ich meinte …«
    »Schon gut. Du hast recht. Es passt nicht zusammen.«
    »Also waren es doch Terroristen, oder …«
    »Oder was?«
    »Oder jemand, der sehr viel zu verlieren hat. Jemand, der auf jeden Fall verhindern muss, dass die Wahrheit über den Anschlag
     in Riad ans Licht kommt.«
    »Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Aber selbst wenn wir wüssten, wer ein Motiv hat … was sollten wir tun? Wir haben keinen
     Beweis, und es gibt niemanden, der uns helfen kann. Wenn es wirklich jemand ist, der große Macht hat, können wir nicht das
     Geringste tun.«
    »Es sei denn, wir kennen jemanden, der ebenso große Macht besitzt«, sagte Irene. »Du hast doch gestern den Sicherheitsberater
     des Präsidenten angerufen. Vielleicht kann er …«
    Marie erstarrte. »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach eins, warum?«
    |407| Kurz nach 19 Uhr in den USA. Zu spät. Oder doch nicht? Würde jemand in seiner Position nicht Überstunden machen, zumal nach
     einer solchen Beinahe-Katastrophe wie der in Riad? Sie musste es wenigstens versuchen.

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    |408| 52.
    Bob Harrisburg legte den Hörer auf. Mehrere Minuten saß er stumm vor seinem Monitor, auf dem eine wissenschaftliche Abhandlung
     über das Aggressionsverhalten des Menschen zu sehen war. Was er gerade gehört hatte, war ungeheuerlich. Er wusste, was er
     riskierte, wenn er den Gedanken auch nur weiterdachte, geschweige denn tatsächlich etwas unternahm. Aber Harrisburg war noch
     nie vor einem persönlichen Risiko zurückgeschreckt, wenn es die Sache wert war.
    Schwerer wog das Problem, dass ihm niemand glauben würde. Die Aussage einer paranoiden Deutschen, einen absurden Verdacht
     – mehr hatte er nicht. Und doch hatte er sofort gewusst, dass sie die Wahrheit sagte. Die langen Gespräche mit ihr waren ja
     erst wenige Tage her. Sie war klug, wenn nicht gar brillant. Sicher hatten die traumatischen Ereignisse sie mitgenommen. Doch
     was sie ihm erzählt hatte, so unglaublich es auch sein mochte, war kein Hirngespinst. Sie hatte aufgeregt geklungen, als sie
     ihm von dem Mordanschlag auf Rafael Grendel erzählt hatte. Aufgeregt, natürlich, aber nicht panisch.
    Harrisburg hätte ihr wahrscheinlich nicht so bereitwillig geglaubt, wenn er nicht selber schon das Gefühl gehabt hätte, noch
     nicht die ganze Wahrheit über den Anschlag auf die Konferenz zu wissen. Den ganzen langen Rückflug über hatte er darüber gegrübelt,
     welches Puzzlesteinchen ihm noch fehlen mochte. Er war nicht darauf gekommen, doch jetzt, nachdem Marie Escher ihm ihre Theorie
     erzählt hatte, wusste er, dass sie stimmte. Es war nicht allein Ondomar gewesen, der versucht hatte, die Friedenskonferenz
     im Chaos versinken zu lassen.
    |409| Er legte sich seine Worte zurecht, dann wählte er eine Nummer. Er wusste, dass auch Jim Cricket um diese Zeit mit Sicherheit
     noch an seinem Arbeitsplatz im CIA-Hauptquartier in Langley anzutreffen war. Und tatsächlich meldete er sich sofort selbst.
    »Bob Harrisburg hier. Ich habe ein Problem.«
    »Was ist los?«
    »Ich habe gerade einen Anruf erhalten.« Er gab kurz den Inhalt des Gesprächs wieder.
    Cricket schwieg einen Moment. »Sie glauben doch wohl nicht, dass
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